Es ist nicht immer so, wie Sie denken!
Die Tannenrauchstrasse verbindet heute die Albisstrasse mit der Mutschellenstrasse. Ihr Startpunkt ist – nummernmässig – bei der Mutschellenstrasse 103, ihr erstes Haus ist das Schulhaus Manegg mit Nummer 10, die Jugendherberge ist Mutschellenstrasse 116. Von diesem Startpunkt aus führt die Tannenrauchstrasse durch eine stattliche Anzahl von Baugenossenschaftshäusern, am Hallenbad und am Altersheim Möösli vorbei, bis sie zwischen den Nummern 60 und 62 der Albisstrasse in dieselbe mündet. Damit führt sie aber nicht an dem Ort vorbei, wo ihr Name herkommt. Das ist paradox. Der alte Hof «Dannerauch» läge heute ebensowenig an der Tannenrauchstrasse wie sein Nachfolgebau, sondern – an der Kilchbergstrasse. Wie das gekommen ist?
Über den alten Hof Tannenrauch sind wir historisch nicht besonders gut informiert. Stauber gibt einige Angaben seit 1702, wonach über längere Zeit auch Vertreter der Familie Asper Besitzer und Bewirtschafter des Hofs waren, bis es 1907 von der Stadt Zürich aufgekauft wurde.* Es gibt eine schöne Ansichtskarte aus den 1930er Jahren – kurz vor dem Abbruch des Hofs 1939. An seiner Stelle erhebt sich heute ein Wohngebäude mit einem L-Grundriss, der zwei Häuser, zwei Einfamilienhäuser verbindet. Das Ganze ist architektonisch dem alten Hof nachempfunden und harmonisch eingebettet in die Grünanlage des Kirchenhügels – an der Kilchbergstrasse 6/8.
Motiv in Wollishofen: Hof Tannenrauch. Verlag Ernst Eisenhut.
Sammlung MZ. Nicht gelaufen.
Dieser Hof Tannenrauch gab der Strasse, an der er liegt, seinen Namen. Der Abschnitt zwischen Albisstrasse und alter Kirche hiess nämlich anfangs des 20. Jahrhunderts Tannenrauchstrasse. Als man die heutige Strasse dieses Namens legte, sah man sie als Verlängerung dieser ersten Tannenrauchstrasse, womit der Name gegeben war. Erst 1938 änderte man dann den Verlauf der Kilchbergstrasse, der Stadtrat beschloss damals auf Antrag des Quartiervereins ein neues Namenkonzept. Er ersetzte den damaligen Beginn der Kilchbergstrasse – das steile Stück von der Albisstrasse den Kirchenhügel hinauf, auf dem ein Fahrverbot galt – durch den Namen Kilchbergsteig, und liess die (neue) Kilchbergstrasse bei der Albisstrasse 59 beginnen. Dies raubte der Tannenrauchstrasse ihr historisch erstes Stück – und der Hof Tannenrauch lag plötzlich nicht mehr an der Tannenrauchstrasse!
Die neue Kilchbergstrasse kurvte indessen an den Baumeisterhäusern des Simmlersteigs vorbei zur alten Kirche und ums alte Schulhaus herum, um dann gegen Süden zur Grenze nach Kilchberg zu führen. Aus der alten «Unteren Landstrasse» war so innert weniger Jahrzehnte in mehreren Schritten die heutige Kilchbergstrasse entstanden. Die ursprüngliche Logik der Landstrasse an der Kirche vorbei wurde den neuen Verhältnisssen angepasst, nachdem bereits 1837 die überregionale Verbindung den See hinauf («Untere Landstrasse») von der neuen Seestrasse am Klösterli und am Horn vorbei übernommen worden war.
«Tannerauch heute». Foto: SB (29.10.2021).
Es gibt eine schöne Postkarte von vor 1927, eine Aufnahme vom Türmchen der alten Kirche hinunter auf das Oberdorf. Dieses Foto hält die Situation fest, als der Hof Tannenrauch noch stand, als er noch an der Tannenrauchstrasse lag, und als es die heutige Tannenrauch-strasse noch nicht gab.
Wollishofen - Oberdorf. Blick vom Turm der alten Kirche. Wehrli, Kilchberg.
Sammlung MZ. Nicht gelaufen.
Im Vordergrund die beiden Baumeisterhäuser am Simmlersteig (Simmlersteig 16 und 18), darüber gut sichtbar das Haus Kilchbergstr. 1, das wegen des Baus des katholischen Kirchgemeindezentrums in den 1980er Jahren abgerissen wurde (daneben erkennt man auch das Haus Albisstrasse 85, das schon in den 1920er Jahren der Kirche St. Franziskus weichen musste). Die Strasse im Vordergrund ist nun eben die Tannenrauchstrasse vor 1930, an der – links im Mittelgrund – der Hof Tannenrauch prominent platziert ist. Nicht gut zu erkennen ist dann gleich dahinter das Haus Albisgrund, das heute noch steht (Albisstr. 59/61), wohl aber ist die Albisstrasse, nach links, gut zu sehen (nach rechts sieht man sie nicht).
Die alte Tannenrauchstrasse scheint auf dieser Fotografie ennet der Albisstrasse eine Fortsetzung zu haben, die geradeaus gegen die Rainstrasse führt: Dies ist aber der alte «Bogenweg», der älter ist als die Albisstrasse, und der das Unterdorf mit dem Oberdorf verband. Die Fortsetzung der Tannenrauchstrasse über die Albisstrasse hinweg war indes vor 1930 noch nicht erbaut, und damit auch nicht auf dem Foto. Im Hintergrund sind viele Häuser zu erkennen: Ganz links ist das Lavaterhaus zu erahnen, wir erkennen dann das Häusergeviert an der Albisstrasse bei der Ziegelstrasse, in der Mitte sind die alten Häuser an der Rainstrasse (Nummern 6 sowie 10/12 ) gut sichtbar, und rechts sieht man den weiteren Verlauf der Rainstrasse mit den geraden Nummern 22-32! Dazu mehr in späteren Blogs!
(SB)
* Stauber, S. 58f.
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