Allmend ist ein Rechtsbegriff der mittelalterlichen dörflichen Landwirtschaft. Damit bezeichnete man die gemeinsam genutzten Flächen in Wald und Weide. Die Allmenden Brunau und Wollishofen wurden seit je durch die Sihl getrennt, welche ihren Lauf immer wieder mal ein bisschen änderte. Es scheint allerdings, dass der Name Allmend Brunau älter ist und möglicherweise ursprünglich für die ganze Fläche beidseits des Flusses galt. Eine erste Erwähnung von «Brůnowe» findet sich in den Zürcher Stadtbüchern Anno 1340.
Militär
Zwar gehörte die Allmend Wollishofen zum Gemeindebann Wollishofens, für militärische Zwecke nutzte die Stadt Zürich das Gelände aber auch schon früh. Später, im 17. und 18. Jahrhundert, erwarb die Stadt förmlich das Recht für solche Nutzungen, Emil Stauber berichtet von einem Vertrag 1776, der der Stadt für 1000 Gulden das Recht einräumte, die Allmend für Schiessübungen zu benutzen.
Wollishofer Allmend mit Brunau, Muggenbühl und Asp. 1789.*
Das 19. Jahrhundert war die hohe Zeit der militärischen Nutzung der Allmenden bei Zürich. Gegen Ende dieser Zeit kam die Stadt allerdings stetig näher, vor allem durch das Erstellen industrieller Bauten an den Rändern. So entstanden etwa die Textilfabrik auf dem Gebiet des heutigen Quartiers Manegg, oder auch die Fabrikareale der Zürcher Ziegeleien im Gebiet der Saalsporthalle. Im frühen 20. Jahrhundert wurden die militärischen Anlagen mehr und mehr an andere Standorte verlegt, so dass die Allmend frei wurde für neue Nutzungen.** Davon profitierte die Naherholungsfunktion der Allmend, vor allem auch der Sport – wie später gerade die Beispiele der Saalsporthalle oder der Fussball-Trainingsplätze von Red Star und FCZ zeigen. Eine erste solche Neunutzung war allerdings eine bereits wieder verschwundene Attraktion: Pferderennen, und eine Rennbahn!
Flugbild über Wollishofen, gegen Süden, um 1950. Rechts Rennbahn Allmend.
Photoglob Wehrli. Sammlung MZ. Gelaufen 9.5.1970.
Wollishofer Pferderennen ...
Schon seit 1875 gab es auf der Wollishofer Allmend Pferderennen, veranstaltet vom kantonal-zürcherischen Rennverein. Eine eigentliche Pferderennbahn wurde erst in der Zwischenkriegszeit geplant. 1935 nahm diese Planung konkrete Formen an. In den Neuen Zürcher Nachrichten wurde am 28. Mai jenes Jahres ein Artikel mit einem schönen Schaubild veröffentlicht:
Aus: Neue Zürcher Nachrichten. 28.5.1935 (e-newspaper).
Dieser Plan dürfte in etwa so realisiert worden sein. Sicher ist aber auch, dass die Allmend im 2. Weltkrieg im Rahmen der Anbauschlacht landwirtschaftlich genutzt wurde – sie wurde wohl in einen Kartoffelacker verwandelt.
Doch auf der Suche nach einem neuen Ort für die Zürcher Pferderennen wurde man nach dem 2. Weltkriegs wieder auf der Allmend Wollishofen fündig. Denn just am Neujahrstag 1947 stand in der NZZ zu lesen, dass mehrere Orte für die Erstellung einer dauernden Rennbahn für den grössten schweizerischen Pferdesportverein in Zürich evaluiert worden seien, um dann eine Lösung auf den «Herbst 1947 auf der Allmend» in Aussicht zu stellen. Doch wusste man schon, dass es sich bei dieser Option nur um eine Zwischenlösung handeln konnte. Der Redaktor schrieb: «Selbst wenn dabei alles glatt geht, werden doch mindestens zwei Jahre verstreichen, bis die Bahn [anderswo] bereit ist. Dieses Intervall soll durch Pferderennen auf der Allmend Wollishofen überbrückt werden. Durch den Anbau hat allerdings die Piste so gelitten, dass sie dringend größerer Instandstellungsarbeiten bedarf. Technisch ist sie frühestens im Spätsommer galoppfähig, und deshalb werden im Einverständnis mit Luzern und Aarau – das ja nun seine eigene ständige Rennbahn besitzt – die nächsten Zürcher Pferderennen auf den Herbst 1947 ausgeschrieben.»
Plakat Internationale Pferderennen Allmend Brunau. Richard Gerbig. 1955.
Im neuen Buch über die Geschichte des Rennvereins Zürich wird berichtet, dass nicht nur 1947, sondern auch in den 1950er Jahren Pferderennen auf der Allmend ausgetragen wurden. Das Problem blieb aber die fehlende ständige Infrastruktur. 1948 etwa heisst es: «Feste Bauten sind wünschenswert, können aber nicht realisiert werden, denn das Gelände auf der Allmend Wollishofen wird nach wie vor auch als Waffenplatz genutzt.» Die Piste indessen wurde erneuert, insgesamt führte sie über 1350 m. Und im September jenes Jahres wurde erstmals ein Damenrennen durchgeführt: «Als Neuerung werden ein Verkaufsrennen für vierjährige und ältere Pferde sowie ein Damenreiten über 1600 m ausgeschrieben. Letzteres gewinnt Frau Daetwyler auf dem schwarzen Hengst Rarach. In Zürich ist sie damit die erste siegreiche Frau im Rennsattel.»*** Ende der 1950er Jahre begann der Rennverein indessen, seine Rennen in Aarau und Frauenfeld zu organisieren, 1960 hörte man erstmals von der Belegung der Allmend durch den Nationalstrassenbau, womit die Wollishofer Allmend aus den Annalen des Rennvereins Zürich verschwand.
... und Motorradrennen
Trotz der Revitalisierung der Pferderennen, wurden auf der Wollishofer Allmend in den ersten Nachkriegsjahren auch Motorradrennen auf Rasen durchgeführt. Aktenkundig sind Zürcher Motorradrennen mit internationaler Beteiligung in den Jahren 1948-49. Diese Veranstaltungen hatten offenbar grossen Publikumserfolg, waren aber auch nicht von langer Dauer. Grosser Zürcher Held jener Zeit war Luigi Taveri auf seinem Töff! Hier eine Aufnahme der Brüder Hans und Luigi während des Rennens 1949 auf der Wollishofer Allmend!
Internat. Rasenrennen, Wollishofer Allmend 1949, Hans und Luigi Taveri. Sammlung MZ.
Mehrere Taveri waren Motorradsportler. Der jüngere Bruder Luigi Taveri (1929-2018) wurde in den 1960er Jahren sogar mehrmals Weltmeister und war lange Jahre eine Berühmtheit des Schweizer Motorradsports. Er betrieb später in Wädenswil eine Carosserie-Firma, die heute noch existiert:
«Aus Beulen werden glatte Flächen. Wir stehen für genaues Handling! Grosses Fachwissen. Hauseigenes Spritzwerk. Seit über 40 Jahren. Services: Ausbeulen, Spenglerei, Lackiererei, Scheibenreparatur, Ersatzwagen.»
Wer gewann das Rennen auf der Wollishofer Allmend anfangs September 1949? Davon liest man wenig in der NZZ. Immerhin erschien am 12. September 1949 ein grösserer Artikel unter dem Titel «Die Zürcher Motorrad-Rasenrennen», wo vor allem das grosse Interesse des Publikums beklatscht wurde: «Kein Zweifel: der Zürcher Kantonale Motorfahrer-Verband landete mit seinem in zehnter Auflage erstehenden Rasenrennen einen richtigen Volltreffer. Die Verpflichtung der europäischen Elite der Rasen- und Aschenbahnspezialisten, die gründliche Siebung der Teilnehmerfelder in Vor- und Hoffnungsläufen und die massive Verkürzung der Renndistanzen scheinen sich in einer Erhöhung des Publikumsinteresses ausgewirkt zu haben. Jedenfalls fanden sich am Sonntag mehr als 20'000 Anhänger des Motorsports auf dem Zürcher Allmendgelände ein, denen namentlich in den auf den spätern Nachmittag gelegten Endläufen nicht nur Spannende und äußerst bewegte Rennen, sondern zugleich völlig sturzfreie Fahrten vorgesetzt wurden.» Die Gebrüder Taveri wurde in der Folge nur im Seitenwagenrennen erwähnt:
«Es bleibt noch ein Wort zur Fahrt der Seitenwagengespanne zu verlieren, die eigentlich einen recht monotonen Verlauf nahm, da sich der Vorjahressieger Taveri wieder von seiner besten Seite zeigte und dem Engländer Oliver nicht die geringste Chance ließ.»
Monoton war aber nur das Rennen, denn weiter heisst es: «Nur wenige wissen, daß Taveri nach seinem Vorlauf einen schweren Schaden an der Oelpumpe zu beheben hatte, und über die Mittagspause nach Hause fahren mußte, um eine neue Pumpe aufzutreiben. In fieberhafter Arbeit gelang es ihm, die Maschine wieder so instandzustellen, daß sie die Strapazen zu überstehen vermochte.» Aber eben: Die beiden gewannen das Rennen, wie das Jahr zuvor.
Die Brüder Taveri waren übrigens Secondos: Ihr Vater Giovanni Taveri war im Alter von 17 Jahren aus Rovato (Lombardei) in die Schweiz gekommen.
Pferderennen, Motorradrennen: Tempi passati.
Wann genau die Einrichtungen abgerissen wurden, ist nicht genau zu eruieren. Klar ist aber, dass sie letztlich dem Autobahnbau weichen mussten. Über Jahre war die Wollishofer Allmend Bauplatz und Reservegelände für Grossinfrastrukturen – Parkierplatz für grosse Baumaschinen des Nationalstrassenbaus, Bohrgelände für den neuen SBB-Tunnel nach Thalwil und erneut Baugelände für den Durchstich des Autotunnels durch den Üetliberg.
Heute ist die Wollishofer Allmend eine von der Autobahn umfahrene, wallgeschützte und eingezäunte, hundefreie Spazierzone, die neben der grossen Schwester, der Allmend Brunau, ein gepflegtes gartenpark-ähnliches Dasein führt. Für Wollishofen wichtig ist, dass der Zugang zum ganzen Erholungsgebiet der Allmenden über die Autobahn hinweg gewährleistet ist. Die neu installierte und renovierte Brücke über die Wollishofer Allmend tut dies. Ihre Renovation und neue Fassung scheint gelungen und verspricht das auf jeden Fall!
Und zum Schluss noch dies (speziell für Markus):
Wehrvorführung mit Scharfschiessen auf der Allmend Zürich-Wollishofen. 1939.
Photo-Rotation W. Pleyer Zürich. Aufnahme Hermann König.
Sammlung MZ. Nicht gelaufen.
(SB)
*Wollishofer Allmend. Stich aus dem Neujahrsblatt der Feuerwerker 1789 (dem Jahr der französischen Revolution), nach Stauber, Tafel 10.
** Zur Allmend vgl. auch: Jean-Daniel Blanc. Die wilde und die zahme Sihl. Eine Landschaft im Fluss der Zeit. Hier und Jetzt. Zürich 2021. S. 195ff.
*** 150 Jahre Rennverein Zürich. Dielsdorf/Zürich 2022. Zitate S. 39ff.
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