WOWA
- Sebastian Brändli
- 20. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Was soll das Akronym? Was bedeutet WOWA?
Heute erinnert vor allem noch die Waffenplatzstrasse in der Enge an die Zeiten, als der Waffenplatz Zürich sich vornehmlich an der Sihl, auf der Allmende Wollishofen und dem Höckler in Leimbach befand. Die Waffenplatzstrasse führte von der Enge her zum Waffenplatz; ihren Namen als städtische Strasse führt sie seit 1882; sie «führt zum ‘Waffenplatz’ auf der Allmend», heisst es im Strassennamenbuch. WOWA? Der Wollishofer Waffenplatz!
Seit 1987 befindet sich der Waffenplatz Zürich im Reppischtal zwischen Birmensdorf und Urdorf. Zuvor belegten die Rekruten und Soldaten die Kaserne an der Kasernenstrasse, die Waffenübungen fanden zunächst vor allem auf dem Platzspitz, später im stadtnahen Raum der Sihl statt. Operativer Zeuge dieses Standorts ist noch das Albisgüetli, das als städtische Schiessanlage Ende des 19. Jahrhunderts (mit dem Neubau der frühen 1960er Jahre) gebaut wurde. Sonst findet man auf der Allmend noch einzelne Reste, die von dieser Zeit herstammen, doch die Zeiten, als die Allmend und auch andere Quartiernutzungen durch das Militär eingeschränkt waren, sind vorbei. Es gibt aber noch Leute, die sich an jene Tage erinnern.

Vom alten Schiessbetreif auf der Wollishofer Allmend, 1894 (Stauber, Tafel 10)
Vreni, eine Alt-Wollishoferin, im Hummel aufgewachsen, erinnert sich noch an ihren Schrecken, als sie zum ersten Mal Zeugin einer Schiessübung auf der kleinen Quartierstrasse Im Hummel wurde. Sie erwähnt mehrere Soldaten mit geschultertem Gewehr – einer am Boden liegend, der in Richtung der heutigen Schlittelwiese geschossen habe. Sie hasste das Schiessen, es machte ihr Angst, doch sie fand einen Trick dagegen. Sie blieb im Haus, bis ein erster Schuss losgegangen war, dann rannte sie auf die Strasse und um die Ecke herum in die Hegenmatt – der zweite Schuss benötigte immer eine gewisse Vorbereitungszeit, die sie für die Flucht um die Ecke nutzte.
Heinz, auch er ein Alt-Wollishofer, auch er seit seiner Geburt in der Schwyzerhüsli-Genossenschaft wohnhaft, erwähnt eine andere militärische Übung mit Beteiligung der Wollishofer: Auf der Wiese im Dunkelhölzli, hinter dem Friedhof, wo heute ein Nussbaum steht, war ein Geschütz stationiert, mit dem man auf die Seite des Höcklers hinüberschoss. Auch er berichtet vom unguten Gefühl, das sich im friedlichen Quartier durch dieses militärische Gehabe ausgebreitet habe.
In den Gründungsakten der Schwyzerhüsli-Genossenschaft findet sich ein Hinweis, dass die Bewilligung durch die Stadt für eine erste Etappe im Hummel lange auf sich habe warten lassen, länger als bei andern Genossenschaften, die in den frühen 1940er Jahren ihre Bauerei aufnehmen wollten. Im Jahresbericht 1945 heisst es diesbezüglich, nach der Eingabe des Subventionsgesuches sei «bei den Behörden eine unheimliche Stille» eingetreten, man habe nichts mehr gehört; Monate und Monate seien vergangen, während derer «andere Gesuche erledigt» worden seien. Die Verzögerung war offenbar entstanden, weil andere Nutzungen durch Stadt und Kanton auf dem Areal geprüft worden waren, eben militärische, aber auch ein Projekt für ein neues «Stadtspital» habe bestanden. Für die Genossenschaft war die Warterei aber nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer, denn es ging «wertvolle Zeit» verloren, «und die Bank verrechnete trotzdem den Landzins», schrieb Präsident Jean Berli, im Hauptberuf Bauführer beim renommierten Architekturbüro Häfeli, Moser, Steiger, im Jahresbericht.

Baugenossenschaft Schwyzerhüsli, Hegenmatt 49-53. Foto: Hanspeter Dudli, 2009. BAZ.
Dass im Gebiet des ehemaligen «Möösli» überhaupt ein Wohnquartier entstand, war lange Zeit offenbar nicht geplant. In einer Eingabe der Zürcher Schützenvereine an den Stadtrat aus dem Jahre 1893, in der eine «unhaltbare» Situation für die Schützen beklagt wurde, werden verschiedene Optionen für einen neuen, den Bedürfnissen gerecht werdenden Schiessstand ausgeführt. Es wurden Schiessgelegenheiten in Fluntern, bei der Rehalp und in Wollishofen – auf der Allmend selber – genannt. Da wird auch ausgeführt: «Der größte Schießplatz ist die Wollishofer Allmend; doch liegen auch hier unzulängliche und auf weitere Dauer nicht haltbare Zustände vor. Denn die Allmend ist zugleich Waffenplatz und hat in erster Linie den militärischen Interessen zu dienen. Die daraus stetig erwachsenden Kollisionen in Verbindung mit den übrigen Hindernissen lassen eine baldige Abhülfe dringend wünschen», konnte der geneigte Leser der NZZ 1895 entnehmen. Deshalb suchten die Schützen nach neuen Lösungen – blieben aber im Quartier. Sie forderten in ihrer Eingabe «unter eingehender Darlegung dieser Sachlage», «einen neuen, allen Anforderungen genügenden Schießplatz auf dem Möösli, östlich der Höcklerbrücke, anzuweisen.» Auf dem Möösli – das war nun just der Ort, wo heute das Quartier Hummel-Hegenmatt zuhause ist, wohl samt der Schlittelwiese. Und hier sollte ein Schiessplatz entstehen – noch auf freiem Feld, denn noch hatte die Planung für den Friedhof Manegg nicht begonnen!

Schlittelwiese heute, mit Heinrich Ernst Stiftung und Blick zum Hummel. Foto SB (2024).
Doch es kam anders. Der Stadtrat folgte zwar der Hauptforderung der Eingabe, legte aber ein Projekt für einen Schiessstand im Albisgüetli vor – mit Erfolg! Und das Projekt kam schnell voran, denn schon am 12. Oktober 1897 konnte man in der NZZ lesen: «Die Stadtschützengesellschaft Wilhelm Tell beschloß, sich um das nächste Kantonalschützenfest zu bewerben, mit welchem sie die Eröffnung des neuen Schießplatzes im Albisgüetli verbinden will.» Damit war auch klar, dass das Möösli bis auf weiteres nicht zum Ort eines Schiesstandes werden sollte. Die Wollishofer Allmend und der Höckler blieben aber bis weit nach dem 2. Weltkrieg der Übungsort des Waffenplatzes Zürich. Erst mit dem Auszug des Militärs über den Albis, dem Bau der unterirdischen Zugsverbindung nach Thalwil und der Neugestaltung nach dem Bau des Autobahnkreuzes Zürich Süd erhielt die Allmend ihre heutige, der Natur und den (friedlichen) Bedürfnissen der Bevölkerung (inklusive Hunde) gewidmete Form.
WOWA? Das war einmal!
Sebastian Brändli
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