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ONKEL EMILS BIENENHÄUSCHEN

Aktualisiert: 1. Apr. 2023

Wir nannten ihn «Onkel Emil». Er war aber nicht unser Onkel, sondern ein entfernter Verwandter unseres Vaters. Wie entfernt, wird sogleich ausgeführt.

«Onkel Emil» wohnte in Wollishofen. Er war damals – um 1965 dürfte das gewesen sein – aus meiner Sicht schon ein alter Mann. Wir machten diesen Ausflug an einem Sonntagnachmittag. Der Vater packte alle Kinder, die im Haus waren, ins Auto und wir fuhren an die Südgrenze der Stadt. Emil wohnte an der Widmerstrasse, Ecke Albisstrasse. Das Haus steht heute nicht mehr bzw. ist durch einen postmodern anmutenden Neubau ersetzt (Albisstr. 149). Die Spannung bei mir war gross, denn es war uns versprochen worden: «Onkel Emil hat ein Bienenhaus. Wir gehen ein Bienenhaus besuchen!»


Ich bin ein Stadtkind. Damals gab es keine Bienen in der Stadt. Der Besuch bei den Bienen war eindrücklich. Wegen des Waldes, wegen der gefährlichen Bienen, aber vor allem wegen des süssen Honigs!!


Bienenhäuschen Onkel Emil. Zustand 2018. Foto: SB (29.9.2018)


«Onkel Emil» war Emil Bühler-Steiner, geboren 1895, heimatberechtigt in Thalwil, verheiratet mit Elsa. Er war Lehrer, zuerst in den 1920er Jahren in der Taubstummenschule an der Frohalpstrasse, später in den Primarschulhäusern Wollishofens. Es existieren einige Klassenfotos, auf denen «Lehrer Bühler, Wollishofen» stramm neben oder inmitten seiner Klasse steht. Ein guter, ein beliebter Lehrer.


Onkel Emil freute sich über unseren Besuch – er hatte Kinder gerne, und seinen Verwandten – mein Vater hiess auch Emil – mochte er ebenfalls. Zusammen besuchten wir sein Bienenhäuschen im nahegelegenen Wald. An die genauen Umstände kann ich mich kaum mehr erinnern, ich weiss nur noch, dass das Häuschen fernab jeder Siedlung war, und dass es als gefährdet galt: Man sagte, dass die Autobahn bald genau über den Ort führen würde, an dem die Bienen jetzt wohnen. Ich war entsetzt!


Jahrzehnte später, als wir als nächste Generation in Wollishofen Wohnsitz nahmen, suchte ich das Häuschen nicht – ich wusste ja, es existiert nicht mehr. Es liegt unter der Autobahn begraben.


Klassenfoto mit Lehrer Emil Bühler-Steiner. 1940. StAZH W I 90.12402.


So kann man sich irren. Die Planung der Autobahnauffahrt Wollishofen änderte sich offenbar nach unserem Besuch Mitte der 1960er Jahre nochmals. Und man konnte knapp am Bienenstandort vorbeikurven. So steht das Häuschen noch heute. Das habe ich an einem Quartieranlass der Raiffeisenbank vor wenigen Jahren ganz unverhofft erfahren. Die heutige Besitzerin, die ich damals kennenlernte, hat mir von ihrem Bienenhäuschen erzählt. Und da gab das eine das andere. Und wir identifizierten zweifelsfrei das seinerzeitige Eigentum von Onkel Emil. Hilfestellung gab die Information, dass die Idee Emils für sein Bienenhaus beim Besuch der Schweizerischen Landesausstellung 1939 beflügelt wurde, als er ein Landi-Modell einer solchen Einrichtung sah. Er meldete sich unverzüglich beim Hersteller und bestellte noch im gleichen Jahr ein Exemplar für sich, um es im Entlisbergwald aufzustellen.


Ich freue mich sehr, dass die Quartier-Imkerin das Haus gerettet, gekauft und reinstalliert hat, so dass es heute seine Funktion wieder voll wahrnehmen kann. Und der Honig ist nach wie vor traumhaft!!


Einschätzung der Gebäudeversicherung 1957, lautend auf Lehrer Emil Bühler! Privatbesitz.



«Onkel Emil»


Ich bin den Leserinnen und Lesern noch meinen verwandschaftlichen Bezug zu «Onkel Emil» schuldig. Also. Emil Bühler, verstorben 1981, war in Thalwil heimatberechtigt. So auch mein Vater – und ich. Unser gemeinsamer Ahnherr heisst Rudolf Brändli-Huber, geboren 1815, von Thalwil. Für Emil Bühler war es der Grossvater, für meinen Vater war der Ahnherr der Urgrossvater. Insofern war «Onkel» nicht ganz falsch, nur: Emil war Cousin, nicht Bruder meines Grossvaters, des Vaters meines Vaters. Genealogisch ausgedrückt war Emil Bühler ein «Vetter» 5. Grades meines Vaters: fünf Geburten lagen zwischen den beiden Männern, betreffend Generationen war Emil Bühler eine Generation vor meinem Vater – was auch von den Geburtsjahren her stimmig ist (mein Vater war Jahrgang 1916).


Als Neuzuzüger in Wollishofen in den 1990er Jahren fühle ich mich seit der Wiederentdeckung des Bienenhäuschens von Onkel Emil wie ein Alteingesessener. Mit den Kindern, die hier aufwuchsen, ist die Identifikation mit dem Ort noch gewachsen.


Wie sagt der Lateiner? Ubi bene, ibi patria! Du bist zu Hause, wo Du Dich wohl fühlst!



(SB)






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