Die Sihltalbahn gehört auf jeden Fall zu Wollishofen, obwohl sie das Quartier nur am Rande streift. Die Sihltalbahn ist also auch eine Wollishofer Bahn. Von der Station Saalsporthalle herkommend, führt das Trassee von der Überquerung der Brunaustrasse unter der Autobahn hindurch bis nach der Haltestelle Manegg durch Wollishofer Gebiet. Dort verläuft sie nach der Überquerung der Sihl auf Leimbacher Boden bis zur Stadtgrenze zu Adliswil.
Geschaffen wurde die Sihltalbahn durch eine Aktiengesellschaft gleichen Namens, heute gehört sie zur SZU, zur Sihltal-Uetliberg-Bahn, die ihrerseits Mitglied des Zürcher Verkehrsverbunds ist. Ihren Betrieb nahm sie 1892 auf, die erste Strecke führte ab Giesshübel bis nach Sihlwald. Später wurde sie bis Sihlbrugg verlängert und dort an die SBB-Verbindung Horgen-Zug angeschlossen. Seit 1924 ist die Bahn elektrifiziert. Nur an den schönen Wochenenden im Sommer hört man noch heute von Ferne die «letzte» Dampflok schnauben und pfeifen; der «Schnaagi-Schaggi» bildet eine besondere Touristenattraktion.
Schnaagi Schaagi. Photoglob Wehrli.
Seit 1990 ist die SZU Teil der S-Bahn Zürich. In mehreren Etappen wurde die Sihltalbahn über Giesshübel hinaus zum Bahnhof Wiedikon, und später als SZU via Tunnel bis zum Hauptbahnhof verlängert, wo sie ihren Kopfbahnhof in der für die U-Bahn seinerzeit vorgefertigten Station fand (das U-Bahn-Projekt scheiterte bekanntlich 1973 in der Volksabstimmung). Kreuzungen von Gegenzügen sind auf der grundsätzlich eingleisigen Strecke an diversen Orten eingerichtet, was mehrere Taktvarianten ermöglicht.
Restaurant Muggenbühl. Anderson und Schneeberger.
Sammlung MZ. Gelaufen am 2.7.1928.
In der Frühzeit der Sihltalbahn war neben dem Personen- auch der Güterverkehr wichtig, insbesondere für den Holzabtransport aus dem Sihlwald. Für Wollishofen war die Sihltalbahn aber lange Zeit interessant als Zubringer von Touristen aus der Stadt, die sich zu den zahlreichen Ausflugsrestaurants, insbesondere auch zum Muggenbühl, begaben (siehe Postkarte oben). Heute dient die S4 vor allem dem Pendlerverkehr. Persönlich habe ich allerdings das Tram 7 – trotz relativ nahe gelegener S4-Station – der Sihltalbahn vorgezogen, steigt man als Wollishofer Pendler doch in einen durch Langnauer und Adliswiler Fahrgäste bereits gut gefüllten Zug ein. Dies trotz des modernen Rollmaterials mit mehreren Doppelstock-Einheiten. Was für die Sihltalbahn spricht, ist die kürzere Fahrzeit; sie ist schneller beim HB als das Tram, so dass es letztlich eine Güterabwägung ist…
Tender-Lokomotive E 3/3 Nr. 6 der Sihltalbahn, gebaut 1912. Fotograf unbekannt.
Aufgenommen zwischen 1912 und 1917. Wikimedia.org.
Beim Projekt des Ausbaus der linksufrigen Zürichseebahn (Tiefbahn unter Wiedikon und Enge) in den 1920er Jahren spielte übrigens die Verbesserung und Erweiterung der Sihltalbahn auch eine Rolle, indem ein Zubringer vom (neuen) Bahnhof Enge zum Bahnhof Wiedikon geplant wurde. Ob der Tunnel gebaut wurde, wird aus den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht klar. Noch 1921 schrieb der Stadtrat im Geschäftsbericht, dass die Vorlage betreffend der Station Enge und – für Wollishofen besonders wichtig – die Linienführung der Seestrasse noch nicht erfolgen konnte, «weil zunächst abzuwarten ist, ob auf die Einführung der Sihltalbahn in den neuen Bahnhof Enge verzichtet wird».* Ich nehme an, dass der Tunnel nicht zustande kam, jedenfalls hätte er sicher nie rentiert. Mehr konnte ich zu diesem Kapitel aber nicht in Erfahrung bringen.
Vielleicht weiss eine Leserin/ein Leser mehr?
Konzessionsbegehren für den besagten Tunnel zwischen
Bhf. Enge und Giesshübel. 1917. Sammlung MZ.
(SB)
* Geschäftsbericht 1921, S. 172.
Zusatz
Umgehend nach Veröffentlichung des Blogs erhielt ich die Antwort auf meine Schlussfrage. Blog-Leser Martin Ryffel, in Wollishofen aufgewachsen, schrieb mir, dass der Anschluss Enge an die Sihltalbahn nicht gebaut worden sei. Es gebe aber die Verbindung an die SBB ab Giesshübel zum Bahnhof Wiedikon. In der Tat verläuft eine einsame unbeachtete einspurige Bahnlinie vom Giesshübel direkt nördlich, der Manessestrasse entlang, um dann – unter der heutigen Autobahn – unter den Boden abzusinken, unter Strasse und Brandwache hindurch, in eleganter Tunnelkurve zum Bahnhof Wiedikon. Sein Vater Max, an der Sihl aufgewachsen, habe als bahninteressierter Bub häufig den Verlad beobachtet, mitgeholfen, und manchmal sei er gar mitgefahren! Später habe er als Verantwortlicher für die Notstromanlage der Brandwache eine Verbindung von deren Untergeschoss in «seinen» Sihltalbahn-Tunnel entdeckt.
Als «Beleg» diene uns ein Foto seines Vaters in jungen Jahren auf einer Werklokomotive in Aarau (leider nicht im Manegg), das ich unseren Blog-Leser:innen aber nicht vorenthalten möchte.
Herzlichen Dank an Martin Ryffel!
Max Ryffel, *1928, 1934 auf einer Werklokomotive in Aarau. Sammlung Martin Ryffel.
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