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AutorenbildUrsula Hänni

UR-UR-UR-FRÖMMIGKEIT

Zum Karfreitag: Eine Wollishofer Geschichte zu Händewaschen und Schuld


Diese Händewasch-Station stand im «Haumesser» (heute Haumesserstrasse 22), wo meine Vorfahren einen Landwirtschaftsbetrieb führten, wie viele andere in Wollishofen damals auch. Es gab kein fliessendes Wasser im Haus, was Lösungen wie die abgebildete notwendig machte. Heute ist dieses Möbelstück ein wahres Bijou!


Damals aber wurde es Zeuge von schwierigen Geschichten:


Heinrich Hausheer, mein Ur-Ur-Ur-Grossvater (1823-1889), gehörte zu einem Geschlecht, das schon seit Jahrhunderten in Wollishofen ansässig war. So hiess die Familie «s'Brenners Heiri», da sie auch als Schnapsbrenner bekannt waren. Er hatte mit seiner Frau Anna-Barbara drei Söhne und eine Tochter, das Haus war sein Geburtshaus und hatte schon den Vorfahren gehört.



Händewasch-Möbel, Foto UH (24.11.22)



Haumesser 22 mit Familien Hausheer. Um 1900. Fotograf unbekannt. Privatbesitz


In Wollishofen war «man» reformiert, aber das genügte dem Vater nicht: Der zweite Sohn schreibt dazu in seinem Lebensbericht:


«In Geschäftsverkehr getreten mit Glaubensgenossen» hiess später konkret: Heinrich Hausheer bürgte mit seinem Vermögen, der Liegenschaft im Haumesser. Und das Befürchtete traf ein: Die Bürgschaft musste 1881 eingelöst, das Haus verkauft werden.


Eindrücklich ist nun, dass die vier Kinder – inzwischen erwachsen und zu etwas Vermögen gekommen – sich zusammentaten und dem Vater das Haus abkauften, dieser Vertrag ist erhalten. Alle lebten zuerst weiterhin dort. Zwar hatten Jakob (unten links, *1853) und die Schwester Emma (unten rechts, *1860) etwas später "weggeheiratet" und waren ausbezahlt worden, dennoch reichte der Platz nicht, um die wachsenden Familien zu beherbergen. So mussten die verbliebenen Brüder Albert und Heinrich auslosen, wer bleiben durfte: Es war Heinrich (oben rechts, *1854).



Geschwister Hausheer, ca. 1875/1880. Fotograf unbekannt. Privatbesitz


Der älteste Bruder Albert (oben links, *1852) – verheiratet und Vater von drei Töchtern – kaufte ein Dreifamilienhaus mit Scheune an der Tannenrauchstrasse, zog 1899 mit seiner Familie dorthin und blieb als Obstbauer in Wollishofen. Seine älteste Tochter war meine Urgrossmutter.


Der im Haumesser verbliebene Los-Gewinner Heinrich verstarb tragischerweise nur ein Jahr nach der Hofübernahme und hinterliess seine Frau und zwei kleine Kinder. Es war der Witwe nicht möglich, Haus und Betrieb zu halten, und so musste sie das «Haumesser» verkaufen und anderweitig für den Lebensunterhalt für sich und die Kinder sorgen. Die Händewasch-Station nahmen sie mit. Leider «erlebte» diese nochmals etwas Trauriges: Das ältere der beiden Kinder starb nur wenig später.


Gehen wir aber nochmals ein paar Jahre zurück: Was war aus den Eltern geworden, nachdem die vier Kinder dem Vater das Haumesser-Haus abgekauft hatten? Im Vertrag von 1881 ist festgehalten: Der Verkäufer ist berechtigt, im verkauften Wohnhause für sich und seine Frau den benöthigten Wohnraum lebenslänglich und unentgeltlich zu benutzen.

Das taten sie denn auch – zumindest die Mutter bis zu ihrem Tod im Jahr 1886. Der Vater – mein frommer Ur-Ur-Ur-Grossvater – habe seine Familie verlassen und sei ins Zürcher Oberland gegangen, um dort «in einer Höhle zu leben», erzählt man. Genaueres weiss dazu leider niemand mehr. Im Zürcher Oberland, woher seine Frau stammte, gab und gibt es viele Glaubensgemeinschaften, er hat sich vermutlich einer solchen angeschlossen und musste aus bekannten Gründen in einfachsten Verhältnissen leben. Er verstarb 1889.


Man könnte nun denken, dass die Erfahrungen mit dem strenggläubigen Vater den ältesten Sohn Albert dazu gebracht hätten, theologisch «freier zu denken». Das war aber zu Beginn nicht der Fall: Er und seine Frau waren von einem konservativen Geist geprägt. So wurden die Töchter nicht vom freisinnigen Pfarrer Hauri in Wollishofen konfirmiert, sondern vom positiven Fraumünsterpfarrer Bachofner «eingesegnet». Besonders an Festtagen pilgerte die Familie gleichentags zweimal nach dem Fraumünster, um an Gottesdiensten teilzunehmen. In späteren Jahren, als bereits Enkel im gleichen Haus lebten, sei jedoch hauptsächlich die Grossmutter durch pietistische Moralvorstellung aufgefallen, ihr Mann habe diese hingegen nicht (mehr) geteilt. Vielleicht ein spätes Abrücken von der väterlichen Frömmigkeit?


Die Händewaschstation ist übrigens nach dem Auszug aus dem Haumesser über viele Jahre in Wollishofen geblieben, am neuen Wohnort der betroffenen Familie. Erst in den 1960er Jahren kam sie zu einer Enkelin ins Zürcher Oberland (!), wo sie noch heute steht.


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