WOLLISHOFER LIMNOLOGIE
- Sebastian Brändli
- vor 4 Tagen
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Aktualisiert: vor 3 Tagen
Ob Limnologie mit Zitronen zu tun hat? Nein, Lemonen sind nicht im Spiel. Limne (λίμνη) heisst auf Griechisch vielmehr See. Limnologie ist deshalb die Wissenschaft von Seen und Flüssen, von Binnengewässern als Ökosysteme. Eugen A. Thomas, 1912-1986, war ein Limnologe erster Güte. In Wollishofen, nahe des Seeufers, aufgewachsen, studierte er Biologe und Naturwissenschaften in Zürich und war bald ein Gewässer-Spezialist, der sich der öko-politischen Hauptfrage der Nachkriegszeit widmete: der Verschmutzung der Seen und dem Bau und Ausbau von Kläranlagen.

Cedernheim, Kilchbergstrasse 113, vom Garten her. Um 1930. FA Thomas.
Als Pädiater und Hygieniker Johannes Oskar Wyss, Medizinprofessor und Klinikdirektor in Zürich, wohnhaft im «Cedernheim» an der Kilchbergstrasse 113, im Jahr 1918 starb, erbten seine Kinder zu gleichen Teilen. Die Söhne, ihrerseits auch Mediziner, wohnten in der Stadt; in Wollishofen erbten sie «nur» Land und Ökonomiegebäude. An sich wäre es möglich gewesen, dass sich einer der Söhne in Wollishofen, wo sie als Kinder im Sommer aufgewachsen waren, als Arzt niedergelassen hätte. Doch der ältere, Karl Max Oskar K.M.O. (1874-1956), hatte das bereits am Anfang seiner Karriere, gleich nach der Hochzeit 1901, versucht – aber schon 1908, relativ «entnervt», aufgegeben. Er schrieb in seinen Memoiren dazu: «Die Praxis in Wollishofen und Kilchberg war weitläufig, zu Fuss bei Schnee und schlechtem Wetter mühsam und kalt; im ganzen auch undankbar, weil an der Grenze Leute wohnten, die versprachen, den Arzt zu bezahlen, es dann aber nie taten! Besser waren die wenigen Bauern, die noch dort waren. Aber ich kam doch allmählig vorwärts, wenn ich schon zuweilen sagte: ‚viel Arbeit und wenig Verdienst‘». So wechselten anlässlich der Emeritierung des Vaters als Professor und Klinikdirektor, Vater und Sohn den Wohnort – der Professor wohnte dann ganzjährig in Wollishofen, K.M.O. praktizierte weiter im Seefeld.
Wer im Hause an der Kilchbergstrasse blieb, war Tochter Alma (1876-1936). Sie erbte das Haus und den schönen Garten ums Haus herum. Und sie blieb auch dort, heiratete den Musiker und Musiklehrer Oskar H. Thomas. Die Familie Thomas-Wyss wuchs und wohnte weiterhin im Quartier Wollishofen, im schönsten Ambiente.

Familie Thomas-Wyss, kurz vor dem 1. Weltkrieg (um 1913). FA Thomas.
So erlebte auch Sohn Eugen A. seine Kindheit dort, und die Seenähe des Anwesens dürfte dazu beigetragen haben, dass er sich nach der Matura am Polytechnikum einschrieb und ein naturwissenschaftliches Studium mit viel Biologie, aber auch viel Interdisziplinarität absolvierte. Heute heisst das Fachgebiet Hydrobiologie, oder auch einfach Umweltbiologie. Thomas war ein begeisterter Forscher, schon seine Promotionsarbeit war ein Wurf. Sie handelte über Lebewesen, die unsereins kaum kennt, die heute aber für die Forschung sehr wichtig wurden: Flechten. Der Titel lautete: «Über die Biologie von Flechtenbildnern»; die Arbeit wurde betreut von den ETH-Professoren Ernst Albert Gäumann und Otto Jaag.
Retter des Zürichsees
Nach dem Studium erhielt Thomas die Stelle eines Assistenten am Kantonalen Labor. Bald wurde er Abteilungsleiter für den Gewässerschutz. Hier war er in seinem Element und erkannte die riesigen Herausforderungen, die zum Boom der Kläranlagen und zu anderen grossen Investitionen führten. Sein Einsatz für dieses Thema war unermüdlich, er hielt zahlreiche Referate und führte noch mehr Beratungen durch. Seine wichtigste Idee mit Umsetzung war die sogenannte «dritte Reinigungsstufe» der Kläranlagen, die auch die überschüssigen Phosphate eliminieren konnte («Phosphatfausfällung»). Diese dritte Stufe schuf die Grundlage für die radikale Verbesserung der Wasserqualität nicht nur des Zürichsees, sondern auch anderer Mittellandseen. Anlässlich seines 70. Geburtstages erschien in der NZZ eine Würdigung, die es so formulierte: «Zusammen mit Francois Forel, dessen Interesse speziell dem Genfersee galt, zählt der Extraordinarius der Universität Zürich zu den Veteranen der Limnologie in der Schweiz.» (NZZ 19.11.1982)

Professor Eugen A. Thomas, als Assistent am Kantonalen Labor.
Frühe 1940er Jahre. Foto: Kant. Labor.
1956 habilitierte sich Thomas an der Universität Zürich für das Lehrgebiet Hydrobiologie. Er scharte eine grosse Zahl interessierter Studierender um sich und betreute unzählige Arbeiten, auch viele wichtige Dissertationen. Im Rückblick formulierte Rektor Konrad Akert über die Lehr- und Forschungsleistung von Thomas: «Bis zu seinem Rücktritt im Jahre 1983 übte der Verstorbene eine äusserst fruchtbare Tätigkeit als akademischer Lehrer und Forscher aus. Als Leiter der Hydrobiologisch-limnologischen Station in Kilchberg hat er wesentlich zur Ökologie der Zürcher Seen und Flüsse beigetragen.»
Wir nachgeborenen Seeanstösser sind Forschern und Umsetzern wie Eugen Thomas dankbar, dass dank ihrer Arbeit, ihrer theoretischen Durchdringung und ihrem Ideenreichtung unsere Seen wieder einigermassen gesund sind. Und wir freuen uns, dass es gerade einem Wollishofer gelungen ist, die Phosphatausfällung zu realisieren!
Sebastian Brändli
Der Blogbeitrag Limnologie gilt als Fortsetzung des Beitrags über Mon Repos.
Für die limnologischen Anstrengungen von Eugen A. Thomas als kantonaler Beamter vgl. man: Martin Illi, Von der Kameralistik zum New Public Management, S. 284f.
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