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DAS TRAM KOMMT NACH WOLLISHOFEN

Aktualisiert: 1. Juni 2023

Sozusagen als Gegenstück zur Eingemeindung bekam Wollishofen relativ bald nach der «Erfindung» des Trams in Zürich eine Verbindung. 1900 wurde die Tramlinie Bahnhof Enge-Morgental eingeweiht; die Enge war schon zwei Jahre vorher ans städtische Netz angeschlossen worden. Um 1900 war zwar schon kein Rössli-Tram mehr unterwegs, denn bereits seit 1894 wurden neue Linien als elektrifizierte Linien eingerichtet. Was Grösse und Form des Wollishofer Trams anbetrifft, glich es aber dem Vorbild mit dem Zugpferd an der Spitze noch sehr. Das letzte Tram nach diesem Modell war die klassische Nummer 6, die heute noch an schönen Wochenenden im Sommer zum Einsatz kommt (im Volksmund «Schüttelbecher» genannt).


Wollishofen um 1915. Das Tivoli mit dem Tram Nummer 1.

Repro-Postkarte. Sammlung MZ.


Das Tram vor dem Haus Tivoli (vgl. Blog Tivoli) verlässt die Seestrasse und biegt in die Albisstrasse ein. Links ist die Häuserzeile Albisstrasse 3-9 (ungerade Nummern) zu erkennen.


Restaurant Morgental mit Tram. Um 1905.

Repro-Postkarte. Sammlung MZ.


Die Linienführung in Wollishofen war noch nicht wie heute. Zwar musste das kleine Tram von der Seestrasse her die Albisstrasse hinauf, Tramendstation war dann aber das Morgental. Da bog das Gefährt nach rechts, in die Mutschellenstrasse, um dann zur Wende beim alten Depot zu gelangen, das zwischen Mutschellen- und (heutiger) Tannenrauchstrasse lag. Das «Depot Möösli» war ein vergleichsweise grosses Gebäude: Man erkennt es auf dem nachstehend eingefügten Luftbild als grossen eckigen Klotz hinter den Wohnhäusern an der Mutschellenstrasse (die Tannenrauchstrasse gab es noch nicht).


Zürich-Wollishofen, Flugaufnahme (Ausschnitt Altes Tramdepot Möösli). Foto Walter Mittelholzer. 1919. ETH-Bibliothek Zürich.


Die heutige Linienführung der Albisstrasse entlang über das Morgental hinaus bis zur Wendeschlaufe am heutigen Wollishoferplatz kam erst 1928. An der neuen Endhaltestelle wurde auch ein neues Depot eingerichtet; das alte wurde über Jahre als Werkhof des Tiefbauamtes genutzt. 1977 wurde es zugunsten des Altersheim Möösli abgerissen. Trotz der Verlängerung blieb das Morgental verkehrstechnisch das Zentrum Wollishofens. Erst mit der Aufwertung des Bahnhofs durch die S-Bahn und die jüngste Weiterführung der Buslinien, die einst nur das Morgental bedienten, bis zum Bahnhof, wurde das Morgental gegenüber anderen Lokalitäten wieder etwas geschwächt. Man könnte sagen, dass Wollishofen sich entlang der Albisstrasse entwickelt hat, mit mehreren kleineren Zentren: Sie machen zusammen Wollishofen aus.


Morgental mit 7er und den beiden grossen Kirchen. Verlag Beringer und Pampaluchi.

Sammlung MZ. Gelaufen 2.7.1956.


Diese verkehrs- und siedlungsmässige Verzettelung ist Wollishofen seit langem eigen. Schon in der frühen Neuzeit war das vorstädtische Gebiet kein Dorf im eigentlichen Sinne, sondern bestand aus mehreren Siedlungskernen, die teils als Weiler, teils als konkurrierende Kleinzentren zu betrachten sind. Insbesondere gab es das Unterdorf und das Oberdorf. Die beiden lagen – aus heutiger Sicht – relativ nahe beieinander, in der frühen Neuzeit waren es aber zwei deutlich getrennte Siedlungskerne: das Unterdorf gleich oberhalb des Morgentals (heutige Kreuzung Albisstrasse-Tannenrauch-/ Kilchberstrasse), das Oberdorf an der alten Kalchbühlstrasse. Ein zweites grösseres Zentrum war an der Seestrasse entstanden: «am Bach» lag am Unterlauf des Dorfbaches, kurz vor der Mündung in den See, heute kaum mehr erkennbar durch neue Eisenbahn- und Strassenbauten, die den ursprünglichen Zusammenhang durchschneiden. Die Kurve der heutigen Albisstrasse bei der Post gehörte auch noch dazu.


Kehren wir nochmals zurück, in die Zeit lange vor der Eisenbahn: Eine städtebauliche Entscheidung war im frühen 18. Jahrhundert die Platzierung der alten Kirche – sozusagen zwischen den Kleinzentren Ober-, Unterdorf und «am Bach». Eine zweite war dann in den 1830er und 40er Jahren der Entscheid, als Zufahrt zum Albispass mit der Planung in Wollishofen auch gleich das Unter- und das Oberdorf durch die neue Albisstrasse zu verbinden (siehe Blog SCHWUNGVOLL – DIE ALBISSTRASSE).


Wollishofen-Zürich. Tram-Endstation (Wollishoferplatz). Verlag E. Furter.

Sammlung MZ. Gelaufen 22. April 1960)



Weitere Eschliessungslinien für Wollishofen waren teils bereits vor 1900, die Eisenbahn (über den Bahnhof Wollishofen) sowie die Sihltalbahn mit den Stationen Brunau und Manegg. Ab 1930 fuhr ein Bus von Wiedikon her zum Morgental (heute 72er). Seit 1953 bedient ein Bus die Kalchbühlstrasse und die Siedlung Neubühl, und im Jahr darauf erhielt Leimbach mit dem 70er einen Anschluss ans Morgental.


Die Erschliessung von Wollishofen durch öffentlichen Verkehr hat sich historisch entwickelt und sich einerseits der vorhandenen Quartierstruktur mit mehreren zentralen Orten angepasst. Dass sich das Morgental zum eigentlichen Verkehrsknotenpunkt entwickeln würde, war nicht von vornherein klar. Die Verlängerung der Tramlinie bis zur neuen Tramendstation hätte städtebaulich auch dazu führen können, den heutigen Wollishoferplatz zum Zentrum des neuen Wollishofen zu machen. Das ist aber nicht eingetreten, wenn sich auch das Zentrum die Albisstrasse hinauf erweitert hat, nicht zuletzt durch den Neubau an der Alten Kalchbühlstrasse, wo sich um einen neuen grossen COOP das alte Oberdorf Wollishofen neu konstruierte. Der Wollishoferplatz selber konnte allfälligen Ambitionen nicht gerecht werden. Das zeigt sich auch daran, dass längerfristig die Platzierung eines Detailhändlers nicht erfolgreich war.


(SB)



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