GOTTFRIED KELLER
- Sebastian Brändli

- vor 6 Tagen
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Aktualisiert: vor 19 Stunden
Es war schon seit je ein grosser Wunsch, als Wollishofer Ortshistoriker, als Wollipedianer, einmal über Gottfried Keller (1819-1890) schreiben zu können! Mit der Manegg und der Allmend ist Keller via Zürcher Novellen ja klar mit der Obervogtei Wollishofen verbunden. Aber nun wurde ein noch direkterer Wollishofer Link gefunden, und der wird aus Anlass des 150. Blogbeitrags aus meiner Feder vorgebracht. Um die Katze gleich aus dem Sack zu lassen: Der Schweizer Nationaldichter war ein gern gesehener Gast – im (oberen) Muggenbühl.

Gottfried Keller, 1819-1890. Druck Orell Füssli.
1908 schrieb ein namentlich nicht näher bekannter Autor in der Chronik der Stadt Zürich über «Stätten der Erinnerung an Gottfried Keller».* Nach dem Geburtshaus Neumarkt 27, nach Wohnungen am Rindermarkt 9 und im Steinhaus an der Kirchgasse wechselte Keller ins «Bürgli» – nicht ins Bürgli Wollishofen, sondern in jenes der Familie Landolt in der Enge (heute: Bürglistrasse 18). Keller selber sprach vom Bürgli in der Enge als von der «Windmühle», weil das Haus wegen der erhöhten Lage von allerlei Winden heimgesucht worden sei. In der Enge war Kellers längster Aufenthalt, zum Lebensende wechselte er sein Logis aber nochmals und liess sich am Zeltweg 27, in Hottingen, nieder, wo es offenbar weniger Wind gab. Also kein Wollishofer Bezug in Kellers Wohnquartieren? Doch. Der Zeitungsautor weiss nämlich zu berichten, dass Keller von seinem Alterswohnort in Hottingen aus «am meisten bedauert [habe], daß er nun seinen Lieblingsort, den MUGGENBÜHL, nicht mehr so leicht erreichen konnte, wie vom Bürgli aus.»
Das Muggenbühl wurde in jenen Jahren – wohl zwischen 1860-1880 – von Jakob Bosshard (1827-1872) geführt, nach seinem Tod «in vorzüglicher Weise» von der Witwe Elisabeth (geborene Nägeli).**

Oberes Muggenbühl, um 1880. Baugeschichtliches Archiv Zürich.
Das Gebiet Wollishofens und seine Umgebung geben auch weiteren Stoff für Erinnerungen an Keller. So veranlasste die Schweizerische Vereinigung für Heimatschutz zum 100-jährigen des Dichters die Errichtung eines Erinnerungssteins zum Gedenken an den Nationaldichter auf der Burgruine Manegg. Die Wahl des Ortes war natürlich nicht zufällig, sondern durch Kellers Ode an das Geschlecht der Manesse in seiner Erzählung «Der Narr auf Manegg» bedingt. Heute erinnert bekanntlich kaum mehr etwas an die Burg, aber der Stein für Keller steht seit mehr als 100 Jahren stand- und wehrhaft auf dem Burghügel vor dem Albisgrat.
Gottfried Keller bezeugt auch mit der Schilderung von Herrn Jacques auf der Allmend seine enge Beziehung zu Wollishofen – und die enge Beziehung von Wollishofen zur Stadt. So erwähnt er das Mörsern, das bis heute mindestens einmal jährlich auf der Allmend im Kreise der Zürcher Feuerwerker stattfindet. In Kellers Worten: «Auf dieser Allmende sah er nämlich ein Häuflein meistens älterer Herren sich rüstig und doch gemächlich durcheinander bewegen und alle Vorbereitungen zu einem erklecklichen Bombenwerfen auszuführen. Es waren die Herren der löblichen alten Gesellschaft der Konstaffleren und Feuerwerker, welche dieses Kriegerische Wesen zu ihrem Privatvergnügen sowohl als zu gemeinem Nutzen betrieben und heute ihr jährliches Mörserschiessen feierten.»
Und auch der Blick von der Allmend zurück nach Zürich, den er schildert, zeugt von der Nähe zur Vaterstadt. Besonders gefällt mir, wie der Pate von Meister Jacques die Türme der Stadt mit konkreten Familienbezügen – Geschlechtertürme, wie in der Toscana, die so heute nicht mehr in unserer Erinnerung sind – in Verbindung bringt und eine eigentliche Zürcher Turmgeographie entwickelt.
Werfen wir nochmals einen Blick auf den Zeitungsartikel von 1908. Zum Schluss schreibt der Autor: «Zu seiner [Kellers] Erinnerung ist an seinem Sterbehause (am Zeltweg) folgende Inschrift angebracht: In diesem Hause wohnte der zürcherische Dichter Gottfried Keller vom Jahre 1882 bis zu seinem Tode am 15. Juli 1890. Gestiftet von der Zunft Hottingen.» – Wie wäre es, im Muggenbühl eine Tafel anzubringen, mit folgender Inschrift: «In dieser Gartenwirtschaft beliebte es dem zürcherischsten aller Zürcher Dichter, Gottfried Keller, Natur und Kultur zu verbinden – bis zu seinem Tode am 15. Juli 1890.» Wäre das vielleicht auch in Wollishofen ein Thema für die Zunft?
Sebastian Brändli
PS
Es existiert noch ein zweiter direkter Wollishofer Link zu Gottfried Keller: eine Urkunde von 1868, die Einbürgerung von Friedrich Klein betreffend. Klein war ein württembergischer Bäcker, der Zürcher Bürger wurde, und dessen Nachkommen um 1930 als «Neuzuzüger» in Wollishofen an die Etzelstrasse 14 zügelten (vgl. Blogbeitrag NEU IN WOLLISHOFEN).

Einbürgerungsurkunde mit des Staatsschreibers Unterschrift (Privatbesitz).
* Chronik der Stadt Zürich, 12.9.1908.
** Angaben nach Heinrich Weber-Dressler im «Anzeiger Zürich 2» (Juli 1952); ich danke Walter Aeberli für den Hinweis.
Noch ein genereller Hinweis auf Helmut Meyers jüngstes Opus: Geschichte und Dichtung. Gottfried Kellers "Züricher Novellen". Chronos, Zürich 2025.




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