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WOLLISHOFEN-LES-BAINS?

Es gibt Orte auf der Welt, die stolz sind auf ihren Ehrentitel «Bad». Wie Adelige ihr «von» vor ihren Nachnamen setzen, pochen Badeorte gerne auf dieses Attribut. Bei Baden hat sich das «Bad Baden» nicht durchgesetzt, obwohl mit «Baden-Baden» noch eine Komplexitätsstufe mehr als Konkurrentin vorhanden ist! Aber andere, wie «Bad Zurzach» oder «Bad Schinznach» haben auf politischem Weg die Badebezeichnung in den Ortsnamen integriert. War Wollishofen anfangs des 19. Jahrhunderts auf dem Weg zu «Bad Wollishofen»?


Am linken Seeufer gab es in der frühen Neuzeit einzelne Bäder, so vor allem das Nidelbad, das seit dem 16. Jahrhundert bezeugt ist, sowie das Bockenbad in Horgen, das 1769 nach einem Brand wieder aufgebaut wurde. Um 1800 kamen neue Ideen auf. Einerseits bedingt durch grössere Wirtschaftsfreiheiten der Landzürcher, anderseits durch neue medizinische Überzeugungen wurde das Baden, das seit römischer Zeit als der Gesundheit dienlich bekannt war, neu entdeckt. Das Interesse der Zürcher Ärzte für das Baden nahm zu. Am deutlichsten kommt dies im Buch «Badenfahrt» des Zürcher David Hess zum Ausdruck (1818 bei Orell Füssli in Zürich erschienen).


Aber auch Sebastian Kneipp mit seinen Kaltwasserkuren gehörte dazu wie auch das Buch von Conrad Meyer-Ahrens «Die Heilquellen und Kurorte der Schweiz: in historischer, topographischer, chemischer und therapeutischer Beziehung geschildert», herausgekommen 1860, ebenfalls bei Orell Füssli.


Titelblatt (Ausschnitt): Conrad Meyer-Ahrens. Heilquellen und Kurorte der Schweiz.

Zürich 1860.


Gesuch des Caspar Bosshard von Wollishofen


Bedenkt man diese Entwicklungen ist es nicht erstaunlich, dass auch in Wollishofen anfangs des 19. Jahrhunderts die Idee entstand, ein Bad einzurichten. Allerdings sind diesbezügliche Bestrebungen bisher unbekannt bzw. vergessen. Doch im Zürcher Staatsarchiv findet sich eine entsprechende Spur. Offensichtlich gab Caspar Bosshard von Wollishofen im Frühjahr 1821 bei der Regierung in Zürich ein Gesuch ein zur Bewilligung einer Badeanstalt mit Wirtschaft: «Caspar Boßhard in Wollishofen bittet um Bewilligung einer Badanstalt und Wirthschaft» steht im Regierungsprotokoll vom 28. April 1821. Und wie reagierte die Regierung? Sie wies das Geschäft dem «Sanitäts-Collegium», also der Zürcher Gesundheitsbehörde, zur Prüfung zu. Im damaligen Amtsdeutsch lautete das folgendermassen: «Das von dem L[öblichen] Oberamte Zürich mit Bericht d. d. 28sten hujus einbegleitete Petitum [Begehr] des Caspar Boßhard von Wollishofen, um Bewilligung einer Badeanstalt und damit zu verbindenden Wirthschaft, wird in Beziehung auf den erstern Gegenstand, dem L. Sanitäts-Collegio zu näherer Prüfung überwiesen, und diese Behörde eingeladen, ihr kluges Parere [Meinung] über den Nutzen und die Zuläßigkeit des begehrten Bades der L. Commißion für Administrative Streitigkeiten in die Hand zu legen, damit sodann diese Stelle ihre Berathung wegen des Wirthschaftsbegehrens daran anschließen und dem Kleinen Rathe ein Gutachten über das Ganze hinterbringen könne.»*


Drei Monate dauerte die Prüfung, und dann war Schluss. Denn die Regierung wies das Gesuch ab. Dies mit der Überlegung, wonach «die entdeckte Quelle, welcher der Petent zu Begründung seines Begehrens vorzügliche Heilkräfte zuschreibt, ein Waßer ist, das weder besondere noch viele Mineralantheile führt.» Deshalb entschied die Behörde, «es könne demselben in seinem Begehren nicht entsprochen werden, indem kein hinreichender Grund oder Bedürfniß vorhanden seye, eine solche Wirthschaft dahin zu bewilligen.» Die Regierung brachte also sozusagen eine naturwissenschaftliche bzw. medizinische Begründung vor, dass das Wasser chemisch nicht als besonders und damit auch nicht als heilend zu betrachten sei. Da wir das Gesuch Bosshards nicht im Wortlaut kennen, ist nicht auszumachen, wie stark er selber das Argument des Mineralgehalts oder die chemische Zusammensetzung vorgebracht hat. Vielleicht empfand die Regierung das Argument des Heilbades aber nur vorgeschoben – schon möglich, dass sie vermutete, es gehe dem ehemaligen Wirt nur darum, eine neue Wirtschaft in Wollishofen errichten zu können. Und dies hielt die immer noch väterliche Regierung der Restauration für nicht nötig.**


Wir wissen zwar nicht mit Bestimmtheit, wo sich die Quelle genau befunden hat, wo das Etablissement hätte gegründet werden sollen. Im Haumesser steht aber ein Haus, das früher «Haus zum Bad» geheissen hat: heute Haumesserstrasse 19. Stauber zeigt eine Fotografie davon, und im Gewerbebüchlein von 1953 steht als Legende einer Foto vom Haumesser: «Im Gibelhuus rächts [heute Haumesserstrasse 19] häts i der eerschte Helfti vom 19. Jaarhundert es Bedli ghaa. D Wolishofer händ doozmaal nämli gmäint, sie heiged e Schwäfelquäll gfunde.» Damit dürfte die Lokalisierung im Haumesser plausibel sein.


Haus zum Bad, um 1915. Foto: Heinrich Weber-Dressler. Aus Stauber (Tafel 20).


Ein erfolgreiches Kurbad wäre für die Entwicklung Wollishofens auf jeden Fall ein bedeutender Faktor gewesen. Worüber wir besser informiert sind: wer der Petent, Kaspar Bosshard, war. Denn das Geschlecht der Bosshard war damals in Wollishofen nicht zahlreich vertreten. Die Familie stammte aus Hittnau, der erste Vertreter des Namens war Kaspar Bosshard sen., der zunächst in Wiedikon als Ziegler wirkte, 1767 aber nach Wollishofen zog bzw. den Hof Muggenbühl kaufte. Zwei seiner Söhne, Hans Ludwig und Hans Caspar, wurden erwachsen. Letzterer dürfte der Gesuchssteller für die «Badstube» gewesen sein. Hans Caspar, 1768-1832, heiratete 1798 Anna Hausheer von Wollishofen.*** Er war ab 1813 Mitglied der Bürgerlichen Abendgesellschaft, amtete als Friedensrichter und lebte um 1820 in der Erdbrust. Er hätte das Zeug für Errichtung und Führung eines Kurbades wohl gehabt.


Eigentlich ist es schade, dass es in Wollishofen nicht geklappt hat. Nur weil es angeblich zu wenig Mineralien im besagten Quellwasser hatte. Man kann auch sagen, Bosshard sei einfach zu früh auf die Idee gekommen. Denn zwanzig Jahre später, als nach der bürgerlichen Wende von 1830 die Politik liberaler war, und die Regierung weniger in Gewerbe und Wirtschaft intervenieren konnte und wollte, gelang es in einem sehr vergleichbaren Fall, eine Badeheilanstalt einzurichten, die nur wegen frischen Kaltwasser attraktiv sein sollte: Bekannt ist die Gründung des Kaltwasserbades mit Kurhotel in Hausen am Albis, das «Albisbrunn». Initiant war der Winterthurer Arzt Wilhelm Brunner (1805-1885), der die Anstalt in den 1840er Jahren mit einigem Erfolg aufzog. Längerfristig war das Bad allerdings nicht erfolgreich, weshalb es kurz nach 1900 schliessen musste.


Albisbrunn. Johann Jakob Meyer 1849. Dokumentation Hausen.

«Falsche» Badestuben

Ein kleines begriffliches Problem sei noch kurz angemerkt. Beim Gesuch formulierte Bosshard offenbar, er wolle eine «Badstube» eröffnen. Das ist eine seltsame Terminologie, der Begriff tönt nach Ancien Régime, als «Bader» «Badstuben» führten. Ein modernes Kurbad, das wegen seines Mineralwassers heilend wirken sollte, dürfte den Namen Kurbad oder Heilanstalt erhalten haben, nicht «Stube». Interessant ist nun, dass noch später im 19. Jahrhundert der Begriff auch noch in anderem Zusammenhang weiter verwendet wurde. Bei den Aufschüttungen im Uferbereich, die im 19. Jh. von einigen Seeanstössern beim Rat des Innern beantragt und bewilligt wurden, steht in den Bemerkungen mehrmals das Wort «Badestube», wobei das Wort eindeutig eine andere Bedeutung als die alte Badstube des Baders hatte. So heisst es etwa bei Johann Honeggers Gesuch, er wolle eine «Badstube bei seinem auf einer Landanlage befindlichen Badehäuschen» errichten (1853), ebenso bei Ulrich Staub, dem Besitzer des Honrains: «Landanlage und Badestube» (1854).**** Das waren weder alte Badstuben noch Kurbäder, sondern Badehäuschen im heutigen Sinne. Später findet sich das Wort «Stube» nicht mehr, es setzt sich dann «Badehäuschen» durch. Konzessionsrechtlich war es eben von Belang, wozu die Aufschüttung diente, nicht nur ob privaten oder gewerblichen Zwecken, sondern insbesondere, ob eine Überbauung (eine Nutzbaute) in die Konzession einzurechnen war oder nicht.



(SB)

 

* StAZH MM 1.76 RRB 1821/0348 und MM 1.77 RRB 1821/0597.

** Die alten Tavernenrechte, die das Eröffnen neuer Wirtschaften verhinderten, wurden erst 1865 aufgehoben!! Ab 1798 war allerdings neu das Eröffnen von sog. «Pintenschenken» möglich, aber dies auch nur mit Bewilligung der Regierung.

*** Angaben zu Caspar Bosshard von Walter Aeberli. Besten Dank!

**** StAZH R I 50.



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