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ZWEIMAL WELTI-HAUSHEER

Auf einem skizzenhaften Hausheer-Stammbaum meines Grossvaters finden sich zwei kinderlose Ehepaare namens Welti-Hausheer: Tante Elisabeth und Nichte Barbara Hausheer aus Wollishofen haben je einen Welti aus der Enge geheiratet. Schon länger hatte ich vermutet, dass die Ehemänner ebenfalls verwandt waren: Bei der Recherche bin ich auf Interessantes gestossen – und habe die Lösung gefunden!


Die Nichte und ihr Ehemann

Der Mann auf dem Foto, Johann Welti-Hausheer (1844-1928), war Landwirt und Besitzer des Gutes an der Bederstrasse 120 in Zürich-Enge, im Quartier «Chraz» (Kratz). Vor der Eingemeindung 1893 amtete er als Gemeinderat in Enge und von 1893-1902 war er Kantonsrat.



Barbara und Johann Welti-Hausheer, «Vetter Welti und Frau Bas», um 1895, Privatbesitz


Im gleichen Haus lebten weitere Verwandte, vermutlich seine Eltern, im Adressbuch eingetragen als Joh. Welti-Hauser (nicht Hausheer - und zufälligerweise mein Mädchenname!).

Bederstrasse 120/Utostrasse 20, Zürich-Enge, Baugeschichtliches Archiv Zürich, Landolt Arbenz, 1900


Links im Bild: Das Zuhause von Barbara und Johann Welti-Hausheer, Bederstrasse 120, erbaut 1868. Vor dem Bau – das legt eine Notiz im Stammbaum nahe – haben diese Weltis «Uf Stock» gewohnt. Mehr dazu ganz am Schluss.


Reformierter Gartenpavillon

Auf dem Grundstück neben dem Wohnhaus der Welti-Hausheers stand ein ganz besonderer Gartenpavillon, auf der kleinen Anhöhe Richtung Sihl:

Beim Abbruch des Bethauses Enge (alte Kirche) im Jahr 1899 retteten Welti-Hausheers das Glockentürmchen und platzierten es als Gartenpavillon auf ihrem Grundstück! Es blieb viele Jahre dort stehen, hingegen wurde es nicht mehr Teil des späteren städtischen Parks (Klopstockwiese).










Foto Baugeschichtliches Archiv, Adolf Moser, 1927




Im Jahr 1896 war Johann Welti federführend bei der Beantragung einer Konzession für die «Elektrische Strassenbahn Zürich II» in Wollishofen und Enge, die aber nicht realisiert worden war. Hingegen fährt ein Bus heutzutage auf dieser Strecke.




Prominente Spuren bis heute

In der Enge finden sich noch zwei Spuren von Johann Welti-Hausheer: Eine kurze Quartierstrasse wurde nach ihm umbenannt: Zuvor hiess sie « II. Neugustrasse» – davon gab es insgesamt drei! Seit 1915 – das hatte er noch erlebt - heisst sie Weltistrasse.



Noch prominenter, aber unter anderem Namen bekannt, ist die Klopstockwiese. Dieses Grundstück, - ehemaliges Rebland - lag unmittelbar hinter dem Wohnhaus der Welti-Hausheers an der Bederstrasse; heute steht am Platz des Bauernhauses das öffentliche WC-Häuschen der Grünanlage.

Johann Welti-Hausheer hat im Jahr 1907 das Areal der Stadt Zürich zu einem sehr moderaten Preis verkauft mit der Auflage, es gemeinnützig zu verwenden. Dieser Bedingung wurde ab den 1950er Jahren mit der Bereitstellung als öffentliche Grünanlage entsprochen. Den Namen bekam das Areal aus folgendem Grund: Im Jahr 1835 war in einem Wäldchen an der Sihl der Student Ludwig Lessing ermordet aufgefunden worden. Das Wäldchen wurde daher Lessing-Wäldchen genannt, die später dort gebaute Strasse Lessingstrasse. 1955 wurde diese dann dem gleichnamigen Dichter umgewidmet (!), und die damals neu entstandene Grünanlage am Sihlberg erhielt kurzerhand den Namen des Schriftstellerkollegen Klopstock.


Verheiratet mit einer Wollishoferin

Johann Welti-Hausheers Gattin Barbara (1845-1912, vgl. Foto oben) stammte aus dem benachbarten Wollishofen und war die Cousine meines Ur-Urgrossvaters. Die Übertragung des Grundstücks 1907 (Klopstockwiese) an die Stadt fiel in die Zeit, als Barbara noch lebte. Die 1870 geschlossene Ehe blieb kinderlos, was mit ein Grund für diesen Handel gewesen sein dürfte. Es wird in der Familie berichtet, dass Barbaras Cousin aus Wollishofen, Albert Hausheer, mit den Töchtern Emma (meine Urgrossmutter) und Amalie ab und zu in die Enge zu Besuch ging, das sei immer «es riisigs Züg gsi» - allenfalls weil die Weltis angesehen und vermögend waren? Nach dem Tod von Barbara heiratete Johann Welti 1914 im Alter von 70 nochmals, blieb aber ohne Nachkommen.


Nochmals Welti-Hausheer – die Tante und ihr Ehemann

Bereits eine Generation vorher, im Jahr 1854, hatte Barbaras Tante Elisabetha (1815-1882), einen Welti in der Enge geheiratet, Jakob Welti (1812-1872): Die Ehegatten waren zum Zeitpunkt der Eheschliessung rund 40 Jahre alt; auch diese Ehe blieb kinderlos. Über die älteren Welti-Hausheers war mir nur bekannt, dass das Ehepaar «auf Scheidegg» in der Enge – nahe der Wollishofer Grenze – gelebt hatte. Inzwischen weiss ich, dass im gleichen Haus auch die beiden ledigen Schwestern von Elisabeth, Barbara und Verena Hausheer, wohnten. Alle drei waren Schwestern meines Ur-Ur-Ur-Grossvaters, die Geschwisterschar im Haumesser in Wollishofen aufgewachsen.




«Auf Scheidegg» - schon damals eine Villa?

Das damalige Haus «Auf Scheidegg» lag etwas abseits (vgl. links auf er Karte von 1880). Es war 1844 von Jakob Welti erbaut worden, hatte einen Gewölbekeller und nebenan ein Waschhaus. 1898 wurde es an einen Besitzer ausserhalb der Welti-Grossfamilie verkauft und 1910 abgetragen. Die 1911 auf dem Areal erbaute Villa steht noch heute (Scheideggstrasse 63). Obwohl die Lage auf dem Plan auf einen Bauernhof hinweisen könnte, legt das eingezeichnete Pärkli möglicherweise Villencharakter des Hauses nahe. Interessant ist zudem, dass bei den drei Schwestern im Adressbuch 1875 anstelle einer Berufsbezeichnung «Part.» für Particulier angegeben ist: Dies bedeutet «selbständig, aber ohne Erwerbsarbeit»; Renten und Pensionen gab es noch nicht. Häufig dürfte Liegenschaftenbesitz und Mieteinkommen daraus die Grundlage von Part. gewesen sein.


Der Schlüssel zur Lösung: Das Haus «Im Stock»

Eine dritte Liegenschaft führte schlussendlich zur Lösung: Unweit der «Scheidegg» (vgl. Plan) lag das Haus «Zum Stock», ein Wirtshaus mit Landwirtschaft, welches ein Welti aus Leimbach im 18. Jahrhundert erworben hatte. Ab dann war es von einem oder mehreren Weltis bewohnt und bewirtschaftet worden. Aufgrund von Angaben in verschiedenen Adressbüchern wurde klar, dass die Weltis von diesem Haus «Stock» mit denen von der «Scheidegg» verwandt gewesen sein mussten.



«Zum Stock», Brunaustrasse 45, Foto vor 1931*, Abbruch 1944.


Dank der Notiz im Stammbaum hatte ich bereits feststellen können, dass die Weltis vom «Stock» Verwandte von denen im «Chraz» gewesen sein mussten.

Daraus folgt: Alle Weltis von «Scheidegg», «Chraz» und «Stock» gehörten zum gleichen Clan: Nichte Barbara und Tante Elisabeth Hausheer hatten somit miteinander verwandte Welti-Männer geheiratet!




 

* Foto aus: Karl Jauch. Feier des hundertjährigen Bestandes der Gemeinnützigen Gesellschaft Enge 1831-1931. Festschrift. Zürich 1931.

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