Eine Schmiede gehörte einst zu jedem Dorf. Nicht nur wegen der Hufeisen für die Pferde, sondern vor allem auch für den Pflug, für die Metallteile beim Zuggeschirr und vor allem auch für die Nägel! Natürlich konnte man Holzhäuser auch ohne Nägel bauen, doch die Nägel hielten dennoch bald Einzug für alle möglichen Verbindungen und Konstruktionen. Die Schmiede in Wollishofen befand sich im Unterdorf, just dort, wo heute die Albis- und die Tannenrauchstrasse sich berühren. Ein kleiner Flarz stand – aus heutiger Sicht – der Tannenrauchstrasse im Weg und musste 1930 verschwinden. Hans Bressmer hatte seine Schmiede in der Albisstrasse 64 (die später zur 62 wurde); diese stand bis vor kurzem als kleines Gewerbehaus mit Baujahr 1876, eben als Schmiede erbaut.

Wollishofen Unterdorf, Flarz Albisstrasse 60/62, abgerissen 1930. Der Flarz war das Reich von Wagnermeister Germann, Bressmers Betrieb war im Nachbargebäude links.
Sammlung MZ. Gelaufen 8.9.1902.
Hans Bressmer kennen Wollipedia-Leser:innen vom Blogbeitrag Männerchor. Bressmer war mit dabei, als der Chor am Bezirkssängerfest in Rheinfelden 1907 teilnahm. Am 1. September 1933 pensionierte sich der Schmied selber und übergab den Betrieb seinem ehemaligen Lehrling Albert Aeberli, der nun auf eigene Rechnung wirtschaften sollte. Aeberli hatte nämlich nicht nur seine Lehre bestens absolviert, sondern auch seine Gesellenzeit in der Schweiz und in Belgien erfolgreich abgeschlossen. «Während der ersten fünf Jahre führte Albert den Betrieb fast ganz allein; er beschlug Pferde, stellte Wagen verschiedenster Art her und reparierte auch solche. Albert setzte um, was er in den Werkstätten von Saurer, Gangloff, Tüscher und Welti-Furrer sowie in Brüssel bei van den Plas gesehen und ausgeführt hatte.» Diese Information stammt aus einem Bericht von Sohn Walter Aeberli, der diesen aus eigener Kenntnis sowie den Unterlagen für eine kleine Rede am Betriebsfest 1973 verfasst und Wollipedia zur Verfügung gestellt hat.1938 heiratete Albert seine Ehefrau Berta Frei (*1917) vom Restaurant Muggenbühl. Berta wurde darauf nicht nur Mutter der Kinder, sondern engagierte sich von Beginn weg fürs Büro und die Leitung des Betriebs – vor allem 1939-45, als während der Mobilmachung das Geschäft ohne Meister dastand.

Anfang Kilchbergstrasse. 1938. Foto Heinrich Weber-Dressler. BAZ.
In der Mitte steht – an der Albisstrasse – die Schmiede, sogar angeschrieben.
Darüber thront Rainstrasse 6.
Nach dem Krieg war die Welt eine andere. Insbesondere in der Technik, in der Metalltechnologie und im Verkehrswesen hatte die schlimme Zäsur auch Entwicklung gebracht. Die Pferde verschwanden aus dem Alltag, mit ihnen das Geschäft mit den Hufeisen, dafür wuchs der motorisierte Verkehr, zudem waren neue Materialien bekannt geworden, insbesondere war das Aluminium als Werkstoff populär geworden.
Dem Aluminium gehörte die Zukunft. Das sah auch Aeberli klar. Und so bastelte er Lastwagenbrücken und Fahrzeuganhänger aus Aluminium, und er produzierte Leichtmetall-Container für Möbel und andere Güter. Einen grossen Schritt für die Bauindustrie, aber auch für die Firma Aeberli, leistete Albert Aeberli im Jahre 1950, als er mit einem Fachmann der Alu-Industrie eine Stollenschalung entwickelte, die leicht zusammengesetzt und dem Baufortschritt angepasst werden konnte. Zuvor waren dazu Holzgespanne nötig gewesen, die man vom Brückenbau kannte – zwar schön anzusehen, aber wenig flexibel.* Ganz zentral war die Patentierung seiner Erfindungen. 1952, 1954 und 1957 liess er nicht nur eine «Verschalung für die Herstellung von Betonröhren», sondern auch technisch wichtige Verbindungsteile und vor allem einen «demontierbaren Silo» als sein geistiges Eigentum schützen. Grosse Türen und Tore für Fabrikhallen und Kraftwerksbauten ergänzten das Sortiment. Die riesigen Werkstücke erforderten grössere Montageräume, so wurde an der Albisstrasse ein neuer Anbau mit grossen Toren erstellt.
Walter Aeberli schreibt: «In einem Stollen des im Bau befindlichen Kraftwerks Marmorera kam diese Schalung zur allerersten Anwendung.» Und es war ein voller Erfolg. Hunderte von Anwendungen, teils sehr spezifisch auf die Bedürfnisse eingehend, waren in den nächsten Jahrzehnten das Geschäft der Firma, die sich nun Aeberli Metallbau nannte. In der Schweizerischen Bauzeitung erschien am 3. Januar 1953 ein grösserer Artikel unter dem Titel «Leichtmetall-Schalungen für Stollen- und Tunnelbauten» von R. Zimmermann, einem Ingenieur bei der AIAG, der Aluminium-Industrie Aktien-Gesellschaft in Lausanne. Er schilderte für Berufsleute, die an Industrie und Bauwesen interessiert waren, das ganze Prozedere des Bauens mit Leichtmetall-Schalungen und weist auf die grossen Vorzüge dieses Verfahrens gegenüber dem bisherigen hin; R. Zimmermann hatte, erinnert sich Walter Aeberli, um 1950 auch mit Vater Albert Aeberli eng zusammengearbeitet.
Für den Autor dieser Zeilen war es recht emotional zu erfahren, dass auch der San Bernardino-Tunnel, dessen Bau und Eröffnung 1967 dem jungen Zürcher grossen Eindruck gemacht hatte, mittels Schalungen von Aeberli betoniert wurde!!

Belegschaft Aeberli Metallbau 1952 – eine Männersache! Der Chef inmitten seiner Fachleute – mit Lehrlingen. Foto privat.
Schon in den 1950er Jahren wurde die Erfindung Aeberlis in der Fachwelt, aber auch in der Tagespresse, erkannt und gelobt. Stellvertretend für viele andere füge ich hier einen Ausschnitt aus dem Burgdorfer Tagblatt (3.9.1960) über den Beitrag Aeberlis zum Scheiteltunnel über den Grossen St. Bernhard ein. Unter dem Titel «Wühlmäuse im Berg» wird ausgeführt:
«In Anbetracht der hohen Löhne war es notwendig, eine möglichst kurze Bauzeit anzusetzen, und dies wiederum verlangte den Einsatz der allermodernsten technischen Mittel. Als besonders wertvoll, weil baubeschleunigend und damit kostensparend, haben sich in diesem Zusammenhang die vom Schweizer Albert Aeberli entwickelten Teleskop-Leichtmetallschalungen erwiesen. Früher wurde allgemein mit Holz ausgeschalt, doch war der Einbau kompliziert und das Material nur einmal verwendbar. Später ging man dann zu Eisen über, doch war die unangenehme Begleiterscheinung ein allzu hohes Gewicht. So lagen die Dinge, als ein wackerer Schlossermeister vor etwa zehn Jahren auf die Idee kam, man könnte es eigentlich auch einmal anders, nämlich mit Aluminium versuchen. Und weil er ein unternehmender Mann war, der das Risiko nicht scheute, machte er sich ans Zeichnen und Tüfteln, aus silberglänzendem Aluminium schuf er Leichtschalenteile, die sich mit einem «Handgriff» zu den verschiedenen Profilen zusammenfügen lassen, er schuf sogar einen besonderen mit hydraulischen Armen versehenen Wagen, der ein rasches Versetzen gestattet; vorerst wurden kleinere Schalungen für Kanalisationen und Stollenbauten bei Kraftwerken entwickelt, später grössere für Eisenbahn- und Strassentunnels, und was anno 1950 nur ein erster Versuch war, ist heute längst bei allen Tiefbauern bekannt.»
Leider riss im Oktober 1960 der Tod Albert Aeberli aus der erfolgreichen Arbeit. Berta Aeberli – ganz Wirtstochter und Kennerin des vormals gemeinsamen Betriebes – übernahm. Mit 38 Angestellten erreichte die Zahl der Angestellten 1962 das Maximum. Später kam das Geschäft mit den Abwasser-Kanälen in den Städten dazu, auch der Bedarf an Schalungen für vorfabrizierte Bauteile nahm zu. Von besonderem Reiz war wohl die Lieferung von Kanalisationsschalungen nach Bagdad, wo 1978 das Leitungsnetz erweitert wurde (bereits 1958 waren erste Leistungen dorthin erfolgt).
links: Kanalbaute in Bagdad (1955) Fotos privat
in der Mitte: Ladebrücken für Camions, zum Export nach Belgisch-Kongo bestimmt (1955)
rechts: klassische Schalung im Tunnel (1955): Beton zwischen Muralis-Schalung und Fels
Manchmal geschah der Einsatz auch ganz in der Nähe. Die nicht in der ursprünglichen Funktion eingesetzte, aber weiterhin stehende Sihl-Hochstrasse wurde ebenfalls mit Hilfe von Schalungen aus Wollishofen errichtet. Und die N 7 (heute A 7) bei Colombier setzte die Firma Aeberli fast skulpturale Stützen für den Autobahnzubringer ein - geschalt mit Alu-Konstruktionen aus Wollishofen.
links: geschalte Autobahnstützen für Sihlhochstrasse bei der Lessingstrasse (1968)
rechts: V-förmige Stützen für die Autobahn-Umfahrung von Colombier NE (1971)
Der letzte Grossauftrag war 1978 der Doppeltunnel Eich der Autobahn A2 am Sempachersee. Im April 1981 gab die damals 64jährige Berta Aeberli den Betrieb auf und vermietete die Räumlichkeiten an die Schlosserei Zehnder AG, welche bereits seit 1940 in Wollishofen ansässig war. Berta übernahm dabei noch bis ins Jahr 2000 die Büroführung für die Zehnder AG!!
Sebastian Brändli
Ich danke Walter Aeberli, dipl. ing. ETH, nicht nur die vielen Informationen und Texte über die Geschichte der Firma seiner Eltern, sondern insbesondere auch für die tollen Bilder, die er extra für Wollipedia gesucht und zusammengestellt sowie bearbeitet hat.
* Superschöne Beispiele für diese aesthetisch überzeugenden hölzernen Lehrgerüste finden sich im Buch von Johann Clopath über Richard Coray (1869-1946), das bei Scheidegger&Spiess, Zürich, herausgekommen ist (2021).

Lehrgerüst von Richard Coray für die Brücke über das Langwieser Tobel.
Aus dem besagten Buch
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