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DAS BAD AM SAMSTAGABEND

Aktualisiert: 27. Mai 2022

Schon Wilhelm Busch machte das Bad literaturfähig. Seine Bildergeschichte «Das Bad am Samstagabend» weist aber auch darauf hin, dass wohl nur einmal die Woche totaler Wasserkontakt angesagt war. Und sogar das haben die Beiden, Fritz und Franz, falsch verstanden:


«Denn Reinlichkeit ist für die zwei – am Ende doch nur Spielerei.»


Fritz und Franz im Bad am Samstagabend von Wilhelm Busch.


Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verfügte nicht jede Wohnstätte über ein Bad, über ein Badezimmer mit Wanne. So entstand eine Marktlücke, wenn schon keine individuellen Badezimmer Pflicht waren, brauchte es zur besseren Hygiene ein besseres öffentliches Angebot an Bädern.


In der Seegemeinde Wollishofen war das nicht anders. Im bäuerlichen Milieu kannte man keine private Badeinrichtung für den täglichen Bedarf. Und als im 19. Jahrhundert die Stadt langsam nach Wollishofen kam, brachte sie die neue tägliche Körperpflege nicht gleich mit. Die frühen Genossenschaftssiedlungen dürften weder über private Aborte noch über private Badzimmer verfügt haben. Es war schon ein Fortschritt, mehrere Klos pro Gebäude zu installieren, jeweils positioniert in den Zwischengeschossen der Treppenhäuser. So etwa an der Rainstrasse 35, im Haus von Elise Rohner-Frey, das 1906 erbaut wurde, und leider vor einigen Jahren dem Neubau Wachtelstrasse 15 Platz machen musste.


Bade- oder Duschgelegenheiten wurden in den Anfängen möglichst raumsparend zentral eingerichtet. Von den Stünzihäusern (siehe BLOG) weiss man, dass ein Badehaus für die ganze Anlage zur Verfügung stand. Das Bedürfnis nach vermehrter Körperpflege wuchs jedoch, so dass eine Einrichtung geschaffen wurde, die heute etwas irritiert: das Bad Wollishofen. In den Neubauten der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Zürich am Morgental, die 1928 errichtet wurden, wurde dies in Albisstrasse 48 im Parterre realisiert.


Bad Wollishofen, Albisstrasse 48. 1931. Foto: Heinrich Wolf-Bender.

Baugeschichtliches Archiv Zürich.




Kasse und Wartebereich (Innenaufnahme) Albisstrasse 48. 1931.

Foto: Heinrich Wolf-Bender. Baugeschichtliches Archiv Zürich.


Wie entwickelte sich diese öffentliche Badeherrlichkeit weiter? Sie dürfte nicht mehr allzu lange nötig gewesen sein. Das genaue Schliessungsdatum weiss ich nicht, aber ab den 1930er Jahren trat das private Badezimmer, das Badezimmer in jeder Wohnung, seinen Siegeszug an. Schon 1926 bilanzierte das Statistische Amt der Stadt Zürich, dass «die neuen Wohnungen meistens mit Badezimmern ausgestattet» seien, konkret: «von den in den letzten 5 Jahren erstellten 4100 Wohnungen hätten 3500 oder 84% Badezimmer.» Dabei habe «Zürich verhältnismässig mehr Badezimmer als andere Schweizerstädte.»* Und Arthur Reinhard rechntete 1935 in der Architekturzeitschrift «Wohnen» vor: «Eine Bedürfnisfrage ist die Erstellung eines eigenen Badezimmers in neuen Mietwohnungen heute nicht mehr. Das zeigen am besten die letzten Erhebungen des Bundesamtes BIGA über die Ausstattung der im Jahre 1933 errichteten städtischen Neubauwohnungen. In 97.5% sämtlicher Wohnungen wurden eigene Badezimmer eingerichtet.»*


Nach dem zweiten Weltkrieg war kein Zurück mehr denkbar. Ingenieur Hermann Meier konstatierte, dass in der Stadt Zürich 1952 über 90 Prozent der Wohnungen über ein eigenes Badezimmer verfügten: «In der Stadt Zürich besitzen heute z.B. über 93 Prozent aller Wohnungen ein eigenes Bad, während es in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts nur zirka 27 Prozent waren.»**


Gut für die Mieter, schlecht für die öffentlichen Bäder...



(SB)

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* Illustrierte Handwerkerzeitung, Mai 1926, S. 76. / Wohnen, Band 10 (1935), S. 3.

** Bauen+Wohnen, Band 6 (1952), S. 43.

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