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HORNER – RINDERKNECHT – KELLER – SASELLA

Aktualisiert: 1. Apr. 2023

ODER: ORTSMUSEUM WOLLISHOFEN ZWEI


Über das Ortsmuseum sind wir durch den einschlägigen Blog bereits informiert. Im folgenden Blog möchte ich etwas genauer auf die Urkundensammlung eingehen und auch über die Stifterfamilie, vor allem die letzten beiden Generationen, berichten. Es gilt doch zu würdigen, dass Wollishofen mit einer solch noblen Geste wie der testamentarischen Überlassung eines traditionellen Wollishofer Weinbauernhauses als Ortsmuseum bedacht worden ist.


Aus der Zeit der Besitzerfamilie Horner möchte ich eine Urkunde aus dem 17. Jahrhundert herausgreifen. Am 16. März 1650 urkundete Hans Jakob Horner, weil er «ein hübsches Alter» erreicht habe, ein Testament, «in der Absicht, Streitigkeiten zu verhüten». Verfasst hat das Schreiben der «geschworene Landschreiber Kraammer». Dabei wurde folgendes geregelt: Die Base Elsbetha Horner, Ehefrau von Hans Bickel, sollte 200 Pfund, Jakob Horner von Wollishofen, Sohn des verstorbenen Bruders von Hans Jakob, Rudolf, 100 Pfund, erhalten. Jakob und Hans Horner sowie ihre beiden Schwestern Dorothee und Verena wurden mit der übrigen Verlassenschaft als Erben bedacht. Schliesslich wurde durch das Testament ein weiterer, früherer «Gemächtsbrief» annuliert. Das Siegel stammt von Obervogt Hans Kaspar Schaufelberger.


Urkunde Nr. 7 vom 10. März 1650 aus der Sammlung Sasella-Keller im Ortsmuseum

(Ausschnitt, letztes Blatt). Foto: Walter Hollinger.


Der Text im abgeblideten Ausschnitt der Urkund ist der Datumsangabe gewidmet und lautet: «Vergëben ist uff den zëhënden Tag Mertzen, als man zalt vonn Jesu Christi Unsers Lieben Herren und Heilandts Gnad Reicher Geburt Sëchszëhen Hundert und Fünffzig Jahr.»


Aus weiteren Urkunden der Familien Horner ist einiges aus der Rubrik «Unfälle und Verbrechen» zu erfahren. So zum Beispiel, dass «Vater» Rudolf Horner 1648 – im Jahre des Westfälischen Friedens, der Beendigung des Dreissigjährigen Kriegs – vom Scheunendach herunterfiel und am Ostermontag an den Folgen des Sturzes starb. Weiter erfahren wir, dass 1754 die beiden Schwäger Horner und Nägeli nach dem Tod des Geschworenen Hans Rudolf Horners sich über die Teilung des Hauses nicht einig werden konnten und das Urteil bis zum städtischen Rat weiterzogen. Viel Streit entstand auch aus der gemeinsamen Nutzung der zum Haus gehörenden Trotte: Immer wieder hören wir, ein Teilhaber an der Trotte habe zugekaufte Trauben gepresst, was dem Nutzungsreglement widersprach. Und ebenfalls gab es häufig Streit wegen unsachgemässer Nutzung von Weg und Steg.


Einsturz der oberen Brücke 1817


Ein letzter Bericht aus dieser Rubrik gilt einem Unfall 1817, als am 11. April ein Teil der oberen Brücke (später Münsterbrücke) einsackte und circa 40 Menschen in die Tiefe stürzten. Darunter auch ein Wollishofer, der damalige Besitzer des Hauses Widmerstrasse 8/10, der alt Geschworene Heinrich Horner.


«Freitags den 11. April 1817 früh nach 9 Uhr stürzte ein Theil des an die obere Brücke anstossenden sogenannten Schwabenbrückleins zunächst dem Kornhaus ein, weil einige Hauptbalken morsch waren. Da gerade Wochenmarkt war und sich viele Leute auf der Brücke befanden, so fielen etwa 40 Personen ins Wasser. Weil das Wasser aber klein war und schnell Hülfe herbeieilte, so ertrank niemand, eine Frau Ziegler schwamm indess in einer Stande weit hinunter. Der besagte Theil der Brücke wurde darauf schnell gänzlich erneuert.»*

Erhalten ist das «Kondolenzschreiben» des Stadtrates von Zürich an die Kinder des alt Geschworenen Heinrich Horner von Wollishofen, in dem eingestanden wird, dass der Tod Horners durch das Unglück verursacht worden war: der Tod sei «vermuthlich befördert worden, indem solcher wenige Tage nachher [nach dem Einsturz der Brücke] erfolgte». Der Stadtrat sprach sein Beileid aus und übersandte zu «einigem Trost und Beruhigung» zehn Louisdor sowie das Angebot, die Arztrechnungen zu begleichen.


Keller-Rinderknecht und Sasella-Keller


Vom Namenswechsel der Besitzerfamilie haben wir bereits berichtet. Wegen Vererbung und Verkauf an eine Tochter, Anna, die Jakob Bodmer von Fällanden heiratete, konnte ab 1824 das Haus nicht mehr Hornerhaus genannt werden. Der nächste Erbgang führte dann zum Namenswechsel als Rinderknechthaus. Die Tochter von Johannes Rinderknecht, Anna Barbara (1864-1935), heiratete schliesslich den Juristen Dr. Ulrich Albert Keller von Marthalen (1865-1933).


Albert Keller war Sohn eines Industrie-arbeiters, konkret eines Lokomotivheizers, der in Oberstrass wohnte. Der begabte Jüngling durfte studieren, zuerst ein Jahr Theologie, dann Jurisprudenz. Seinen Eltern war er sein Leben lang dankbar dafür. Das Studium schloss er 1889 mit der Doktorarbeit über «Das Volksinitiativ-recht nach den Schweizerischen Kantonsverfassungen» ab. Gemäss den Reden, die bei seiner Beerdigung gehalten wurde, war er ein glänzender, aber jeglicher Etepetete abholder Jurist, Anwalt und Mitglied des Kassations-gerichts. Keller war Marthaler Bürger, in Oberstrass aufgewachsen, durch Heirat «Wollishofer» geworden. Letzteres mit Verwe, war er doch erstens ein «überzeugter Demokrat», zweitens Vertreter des Quartiers im Grossen Stadtrat und im Kantonsrat, und drittens auch Gründungsmitglied und erster Präsident des Quartiervereins Wollishofen (1900-04).


Anna Barbara Rinderknecht war Mutter von zwei Kindern, von Betty und Albert. Der jüngere Albert, geb. 1902, studierte in Genf und Zürich Jurisprudenz, er war aber offensichtlich weniger erfolgreich als sein Vater. Jedenfalls ist ein Studien-abschluss nicht belegt. Vielmehr ist aus den Unterlagen ein Leben ablesbar, das weit über das Ableben des Vaters hinaus elterliche Fürsorge nötig machte. Albert starb 1968 und liegt im Familiengrab im Friedhof Manegg (Feld D).








Mehr Freude dürften die Eltern an Tochter Hedwig («Betty») gehabt haben. Nach dem Besuch einer privaten Sekundarschule in Zürich wollte sie Pianistin werden und schrieb sich im Konservatorium Zürich ein, um bei Klavierlehrer R. Laquai zu studieren. Die Zeugnisse sind erhalten, so notierte Laquai im Wintersemester 1920/21 zweimal eine Sechs in Leistung und Fleiss, und ergänzte handschriftlich: «Der Fleiss ist sehr zu rühmen.» Allein, es blieb beim Fleiss. Betty schloss das Studium zwar ab, erhielt aber eine Zensur, die aufhorchen lässt: Sie habe «Hemmungen (infolge einer ungünstigen Hand)» bekämpft. Den Beruf einer Pianistin nahm sie in der Folge nicht auf.


Betty war eine lebensfrohe, engagierte Frau, erwarb sehr früh (1926) den Autofahrausweis, und heiratete den Tessiner Steinbruchunternehmer Giovanni Sasella (1895-1984). Die Ehe blieb kinderlos, so dass es schon früh auch um die Frage ging, wie es mit dem Elternhaus von Betty nach ihrem Tode weitergehen soll. Belegt sind Überlegungen, eine wohltätige Institution testamentarisch zu begünstigen. Durchgesetzt hat sich zum Schluss das bekannte Testament an die Stadt Zürich mit der Auflage, das Haus zu erhalten und im Erdgeschoss ein Ortsmuseum einzurichten.


Betty und Giovanni Sasella-Keller. Ortsmuseum.


Nach dem Tode von Betty 1979 und Giovanni 1983 wurde das Testament vollstreckt. Das Ortsmuseum Wollishofen wurde in die Obhut des Quartiervereins gegeben und konnte 1985 eröffnet werden.


(SB)

 

* Aus: Alte Chroniken 1845, S. 83.

** Zwei Porträts von Albert Keller und Anna Barbara Rinderknecht, Ortsmuseum.

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