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AutorenbildSebastian Brändli

NAH BEIM HIMMEL

Aktualisiert: 7. Jan.

DAS EHRBARE HANDWERK ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE steht auf dem orangen Ziegel zum Jubiläum des Schweizerischen Dachdeckermeisterverbands 2007.


Samuel Weber, geboren um 1870, kam aus Niederried bei Kallnach. Er hatte bei einem Dachdecker im Berner Seeland gearbeitet, wollte aber nicht dort bleiben, es zog ihn in die grosse Stadt Zürich. Hier angekommen, arbeitete er zuerst einmal als Führer des Rösslitrams zwischen Bahnhof und Seefeld. Doch schon bald, ab 1895, finden wir ihn am Burgweg 10, später an der Höschgasse 3, schliesslich an der Hammerstrasse 8 – alles in Zürich-Riesbach. An der Hammerstrasse war er als Dachdeckermeister gemeldet und gründete 1902 ein eigenes Dachdeckergeschäft. Er war verheiratet und hatte fünf Kinder: Emma, Emil, Ida, Edwin und Samuel. Vater Samuel starb 1920 an der Spanischen Grippe, die drei Söhne, teils Dachdecker, teils Spengler, mussten das Geschäft übernehmen: Es entstand die Firma Gebrüder Weber, Riesbach. Das ging gut bis in die 1930er Jahre.


Dachdeckermeister Edwin Weber, mit seinem Angestellten Franz Pechtl im Ziegellager an der Drahtzugstrasse; der erste Lieferwagen, ein Talbot mit Autokennzeichen ZH 703. Aufnahme April 1932. Foto im Privatbesitz.


Ob es die Wirtschaftskrise war, familiäre Gründe, oder einfach persönliche: Ende der 1930er Jahre verliess Edwin, geboren 1900, das Geschäft. Er wechselte die Seeseite und gründete 1937 in Wollishofen eine eigene Dachdeckerfirma. Adresse: Albisstrasse 58, die Werkstatt lag vis-à-vis an der Tannenrauchstrasse. Dort blieb die Firma bis 1950.


Dachdeckergeschäft Edwin Weber, bis 1950. Privatfoto.


Von der Albisstrasse wechselte die Firma in den Haumesser, Eigentümer der Liegenschaft und Vermieter war der in Wollishofen weit bekannte Jakob «Kohlen-Bryner». Auch im Haumesser war man mitten im Quartier, auch hier lief das Geschäft gut. Ab 1970 wurde Peter Weber, der Sohn von Edwin, Teilhaber der Firma. 1980 zog sich Edwin Weber altershalber zurück und Peter übernahm die Firma.


An einer Messe traf Peter den Künstler Peter Gugg, der ihn mit seinen «Gugg-Kästen» – flache Vitrinen verschiedenster Grösse mit Nachbildungen bäuerlicher Milieus – beeindruckte. Er liess sich von diesem Künstler eine 3-D-Skizze seines Geschäfts im Haumesser im Kleinformat nachbilden.


Das Modell der Werkstatt im Haumesser von Peter Gugg. Privatbesitz.

 

1987 zog die Firma an die Seestrasse 355, wo sie bis heute ihren Sitz hat. Heute heisst die Firma Weber Dach AG und wird von den beiden Söhnen von Peter Weber weitergeführt.


Berufsethos


Worauf ist ein Dachdecker in Zürich stolz? Dass er zusammen mit seinen Mitarbeitenden – und teilweise in Arbeitsgemeinschaften – viele grosse und komplizierte Dächer reparieren, sanieren und neu eindecken konnte. Am Opernhaus geht Peter Weber nicht vorbei, ohne an den grossen Auftrag zu denken. «Das war eine sehr interessante Aufgabe», meint er, «das Dach ist kompliziert und es gilt viele Details zu beachten.» Das letzte grosse Werk war das Dach des Zunfthauses zur Meisen. Dieses ehrwürdige Rokoko-Gebäude, dem «schönsten Zunfthaus des Rokoko in der Schweiz» (ein Zitat, das die NZZ nach Abschluss der Renovation verwendete) wurde bis 2018 vollständig renoviert, eben: inklusive des Dachstuhls und des Dachs. Adi Kälin meinte in der NZZ vom 14. September 2018 zur Bedeutung des Hauses: «Das prunkvolle Palais am Münsterhof, das der Baumeister David Morf nach Pariser Vorbild entworfen hat, fällt in Zürich aus dem Rahmen. In der Regel protzten die alten Zürcher mit ihrem Reichtum ja nicht – oder zelebrierten ihn lediglich im Innern der Häuser. Vergleichbar mit dem Zunfthaus zur Meisen ist am ehesten noch das Haus zur Krone, der heutige Rechberg, mit dem prächtigen Barockgarten.»


Ziegel, die älter als das Dach sind...


Eine besonders für den Historiker interessante Episode stammt von einem anderen prächtigen Bau der Altstadt, dem 1702 im Renaissance-Stil erbauten Rathaus. Auch dort wurde gesamtsaniert, inklusive Dach. Auch dort war der Chef selber auf dem Dach. Da fanden die Angestellten der Firma im alten Bestand Ziegel, die offensichtlich älter waren als das Haus, also vor 1700 gebrannt wurden. Einer war deutlich ins 16. Jahrhundert zu datieren!! Wie kam das? Vor der Industrialisierung verwendete man halt auch bei Neubauten noch viel gut erhaltenes Baumaterial, so insbesondere unbeschädigte Ziegel, die erneut verwendet wurden! – Die wichtigsten Dächer, die von Dachdecker Weber bearbeitet wurden, finden sich unten im Anhang.


...und ein Ziegel aus Wollishofen


Jetzt noch dies: Die Dachdeckerfirma Weber kenne ich zwar seit ich in Wollishofen wohne, aber das Interview mit Peter Weber, dem langjährigen Chef, hat sich durch eine ganz andere Angelegenheit ergeben. Das Wollipedia-Team hat sich für die Ziegelhütte der Baumeister Ulrich und Jakob Staub interessiert, und so kam die Frage auf, ob sich heute möglicherweise noch letzte Ziegel aus dieser Produktion auf Wollishofer Dächern befinden könnten. Was lag näher, als den Fachmann zu fragen: eben Dachdeckermeister Peter. Er hat uns sofort für ein Gespräch zugesagt, und uns auch verraten, dass in seinem Wohnort im Raindörfli eben ein solcher Wollishofer Ziegel zugegen sei. Kunstvoll verarbeitet zu einer Wanduhr. Man staune und stelle sich den Arbeiter in der Ziegelhütte am See vor, der mit seinem Finger in den noch nassen Ziegel den Ortsnamen WOLLISHOFEN eingekerbt hat. Tempi passati!!


Zeuge des 19. Jahrhunderts: ein auf einem Wollishofer Dach gefundener Ziegel aus der Produktion der Staubschen Ziegelhütte, mit der Zeit zur Uhr verwandelt durch

Peter Weber, Dachdeckermeister. Privatbesitz.



Herzlichen Dank an Dachdeckermeister Peter Weber für die vielen Informationen und die Fotos und einmaligen Objekte!




Sebastian Brändli

 

Die wichtigsten Dächer Zürichs, von Dachdecker Weber bearbeitet («Leckerbissen»):

Opernhaus, Sechseläutenplatz

Rathaus, Limmatquai

Zunfthaus zur Meisen, Münsterhof

Nationalbankgebäude am Bürkliplatz, Börsenstrasse

Naturschieferbedachungen der Gebäude Nationalbank Stadthausquai und Fraumünsterstrasse

«Rotes Schloss», Stockerstrasse/General-Guisan-Quai/Beethovenstrasse

«Villa Egli», Höschgasse

Naturschieferfassaden in der Stadelhoferpassage

Kirche St. Jakob mit spezieller deutscher Schieferbedachung

Kuppeldach mit Naturschiefer bei der Kirche Enge

Sanierung des Dachs des Heimatwerks an der Schipfe mit Handziegeln

 





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