top of page
AutorenbildSebastian Brändli

RIGENDINGER PLASTIKEN

Aktualisiert: 22. Dez. 2024

Um 1960 wurde beim Eingang des Friedhofs Manegg, am obern Ende der Thujastrasse, ein kleines, schmuckes Atelier erbaut. Die Liegenschaft gehört der Stadt. 1960 war sie als Thujastrasse 58 im Adressbuch verzeichnet – aber ohne Mietername. Lange Zeit waren Rauber & Willi, Bildhaueratelier, die Mieter, also hier am Werken. Seit 1995 ist der Geschäftsinhaber David Pepe; er nennt sein Werkgebäude «Bildhaueratelier».

 

Es gab allerdings schon vor 1960 Bildhauer in Wollishofen, die auch für die Bedürfnisse des Friedhofs arbeiteten: So finden wir im Adressbuch 1920 einen «J. Rigendinger», sein Geschäft nannte er «Werkstätte für Grabdenkmäler und Friedhofskunst». Dieser Rigendinger, der manchmal auch Riegendinger geschrieben wird, und der als Vornamen wahlweise Johannes oder Hans trug, war ein interessanter Künstler mit einem Hang zu monumentalen Aufgaben.

 

Geboren wurde Hans Rigendinger 1893 in Steckborn. Es ist wahrscheinlich, dass schon der Vater Steinhauer war. 1912 begann Hans jedenfalls als 19-Jähriger in Zürich eine Lehre als «Steinhauer» beim Steinhauermeister Emil Hess. Der hatte seine Werkstatt in Wollishofen an der Seestrasse, wo genau, ist schwierig herauszufinden, sind doch verschiedene Hausnummern angegeben. Jedenfalls war das Atelier in der Nähe des Bahnhofs auf der Seeseite (ungerade Nummer). In der Sammlung des Ortsmuseums ist sein Lehrbrief erhalten.


Lehrbrief von Hans Rigendinger, 1912. Foto Ortsmuseum Wollishofen.


Wann genau Hans Rigendinger seine Lehre abschloss, ist nicht bekannt. 1920 finden wir ihn aber mit seiner Werkstätte an der Seestrasse 379, im Areal der «weissen Fabrik», der ehemaligen Fensterfabrik Kiefer. 1930 wohnte und arbeitete er, unterdessen verheiratet mit Emilie Rigendinger, geb. Keller, an der Mutschellenstrasse 174. Dort wohnte auch die Witwe Ida Rigendinger, geborene Mani – wohl seine Mutter. Das Steinhauer-Atelier von Johann Rigendinger-Keller an der Mutschellenstrasse ging auf den Hof hinaus. Bei grossen Werken diente der Hof auch als Arbeitsplatz.

 

Fotos von Hans Rigendinger sind einige vorhanden, richtig gut erkennt man Gesicht und Figur aber auf einem Foto von der Landi 39.


Hans Rigendinger an der Landi 1939, im Böötli des Schifflibachs (mittlere Reihe rechts).

Foto Ortsmuseum.


Das Werk Rigendingers

 

Wir kennen einige Stücke aus Hans Rigendingers Werk. Es sind auch kleinere Grabmäler und -steine, vor allem solche für die eigene Familie sind bekannt. So inserierte Rigendinger immer wieder als Grabmäler-Spezialist und bot seine Dienste für private Kundschaft an. Daneben gibt es aber einige grosse, besondere Aufträge, die er vor allem von der öffentlichen Hand erhielt. Dabei spielen Brunnen eine herausragende Rolle. Aber auch beim  Gedenkstein für Gottfried Keller, 1921 vom Heimatschutz initiiert, besorgte Bildhauer Rigendinger die künstlerische Ausführung. Bekannt ist auch das «Säuli» vor dem Bauerngehöft «Uff Stocken» in Kilchberg.


Auch ein Werk von Hans Rigendinger: Das Schweinchen uff Stocken. Foto Ortsmuseum.


Bei den Brunnen ging es oft um die Renovation oder Wiederherstellung von alt und mürbe gewordenen Sandstein-Skulpturen. Auf dem Paradeplatz etwa steht ein schöner Schmuckbrunnen zwischen dem Savoy-Hotel und dem Griederschen Peterhof. Die reich skulpierte Renaissancesäule und die Brunnenfigur, die Juno darstellt, stammen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Säule mit Figur bestehen aus Sandstein, der natürlicherweise mit der Zeit abbröckelt. Zu Lebzeiten von Rigendinger, anfangs der 1940er Jahre, plante die Stadt eine Restauration, für die der Wollishofer einen Auftrag erhielt: er sollte die Säule mit Kapitell möglichst originalgetreu kopieren. Offensichtlich hatte er bei den städtischen Behörden noch immer einen sehr guten Ruf, dass er diese knifflige Aufgabe übernehmen konnte. Nach Abschluss der Arbeiten - auch die Juno wurde erneuert - schrieb die NZZ (16.2.1945): «Steinbildhauer Joh. Rigendinger erstellte die Säule mit dem korinthischen Kapitäl neu nach dem verwitterten Vorbild, das in gelblichem Neuenburger Sandstein ausgeführt war.» Weitere Brunnen, an denen Rigendinger Hand anlegte, sind der Delphinbrunnen, ein Rokokobrunnen an der Freigutstrasse, der der Stadt gehört, oder der Napfbrunnen, eine über 400jährige Brunnenanlage auf dem Napfplatz, die 1567 als einer der bedeutendsten Brunnen der «Mehreren Stadt»gilt.


Der im Jahre 1931 erbaute Manessebrunnen am Hirschengraben in Zürich erinnert mit seiner Skulptur eines sich aufbäumenden Pferdes an das Rittergeschlecht der Manessen. Foto Ortsmuseum.

 

Am bekanntesten dürfte sein Werk am Rande der Altstadt, an den Unteren Zäunen sein: der sog. Manessebrunnen. Er steht am Plätzchen, wo die Kirchgasse in den Hirschengraben mündet. Das oberste Haus an der Kirchgasse war einst der städtische Familiensitz des adeligen Geschlechtes der Manesse, die am Albis ja auch eine Veste hatten (auf einem Bergsporn neben der Fallätsche). Bekannt ist das Geschlecht heute wegen der Manesse-Handschrift, einer kostbaren mittelalterlichen Sammlung von Liedern der ritterlichen Minnesängern, die von Mitgliedern der Manesse veranstaltet wurde. Nachdem die Manesse ihren Wohnsitz in die nahe Stadt verlegt hatten, beteiligten sie sich als Adelige an der Regierung, in ihrer Generationenreihe stechen vor allem mehrere mit Vornamen Rüdiger als Politiker heraus.

 

Rund dreissig Jahre nach der Eingemeindung zahlreicher Vororte zu «Gross-Zürich» wollte die Stadt in ihrem Zentrum repräsentativer, freundlicher, schöner werden und beschloss, zu diesem Zweck die Zahl der Brunnen  zu vermehren. Der Stadtrat lancierte darauf ein Brunnenbauprogramm, in der Tranche pro 1928 und 1929 war die Erstellung von zehn zum Teil monumentalen Brunnen vorgesehen, die durch direkte Aufträge an Künstler erfolgen sollte. Als sechstes Projekt in diesem Programm wurde vom Stadtrat ein schon früher von Bildhauer Arnold Hünerwadel entworfener Brunnenaufbau am Hirschengraben zwischen oberer und unterer Zäune präsentiert. Der Brunnen sollte sich über einem Treppenaufbau erheben und zwei übereinander gelagerte Becken bekommen; seine Krönung sollte ein mächtiges, sich bäumendes Pferd sein. Für den Bau war ein Kostenaufwand von Fr. 88,500. geschätzt worden. Im Jahr 1930 stimmte der «Grosse Gemeinderat» [heute Gemeinderat] diesem Vorhaben zu. Allerdings wünschte der Rat eine Tieferlegung des Brunnenrandes, um das Wasser besser sichtbar zu machen. «Der Manessebrunnen wird eine Zierde unserer Stadt sein. Der Rat stimmt der Vorlage zu.» (NZN und NZZ 20.3.1930, Zitat NZZ). Ob Bildhauer Hünerwadel sein Projekt von 1910 im Jahre 1931 nicht mehr selber ausführen wollte, oder ob er sich häufig auf einen Berufskollegen für die Ausführung verliess, ist unbekannt, jedenfalls wurde Hans Rigendinger von Wollishofen damit betraut.


Das Modell und das Original. Hans Rigendingers Manessepferd im Atelierhof an der Mutschellenstrasse 174. Foto Ortsmuseum.


Wie kam der steinerne Koloss von Wollishofen an seinen Bestimmungsort an den Unteren Zäunen bzw. am Hirschengraben? Im kleinen Nachlass von Rigendinger im Ortsmuseum befinden sich zwei Fotos des Transports, eines an der Alfred-Escher-Strasse aufgenommen, das andere an der Rämistrasse, kurz unterhalb der Einmündung des Hirschengrabens.


Transport des Manessepferdes 1931 an der Ramistrasse. Foto Ortsmuseum.


Der Hinterhof Rigendingers wurde unlängst zur Baustelle, das Haus Mutschellenstrasse 174 dem Erdboden gleichgemacht. Ein Bildhauer war schon lange nicht mehr vor Ort; wie eingangs erwähnt, zügelte dieses Metier schon Ende der 1950er Jahre an die Thujastrasse, neben den Eingang zum Friedhof Manegg. Dort werden keine grossen Pferdestatuen mehr verfertigt, wohl aber schöne Grabmäler und andere Steinkunstwerke.



Sebastian Brändli

194 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

NAH BEIM HIMMEL

STAUB'SCHES IMPERIUM

Comments


Wollishofen

Hof des Wolo - Obervogtei - selbständige Gemeinde - Zürcher Stadtquartier

bottom of page