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WOLLISHOFER GEWERBE 1953

Aktualisiert: 25. Juli 2023

Wollishofer Vereine und Geschäftsleute haben im Jahre 1953 eine Broschüre «uf de Wolihofer-Abig hy» – also im Vorfeld des traditionellen Wollishofer Abends – mit alten Fotos und erklärenden Texten sowie mit Hinweisen (Inserate) angepriesen. Die meisten Texte sind dabei in Versform und in einer phonetischen Dialektschreibe gehalten. Man kann zwar nicht davon ausgehen, dass die Sammlung der Läden und Handwerksbetriebe, die in der Broschüre versammelt sind, hundert Prozent der Wollishofer Geschäftswelt jenes Jahres ausmachen. Zum Beispiel fehlen Inserate der Grossverteiler Migros und Coop (LVZ, KVZ) vollständig. Die Sammlung gibt aber dennoch einen schönen Überblick und zeigt, wo die Geschäfte vor allem lagen, welche Gewerbe- und Wirtschaftaktivitäten lokal angeboten wurden und listet bei jedem Geschäft auch die Inhaber und die Adresse auf.


Einzelne Betriebe bestehen bis heute – es sind allerdings wenige. So zum Beispiel der Sanitär Fruet am Rumpumpsteig, die Apotheke Morgental (in einem neuen Lokal), die Dachdeckerei Weber, die Garage Franz AG oder das Café Regina (heute Medina). Viele sind aber eingegangen, vor allem, weil ein eigentlicher Schwund an lokalem Gewerbe stattgefunden hat. Zu mächtig war der Einfluss der entstehenden Supermärkte in Wollishofen, in Nachbarquartieren oder im städtischen Umfeld. Zu stark auch die Angebotskonzentration auf Stadtgebiet, so sind z.B. fast alle klassischen Haushaltswarenläden in den Quartieren eingegangen. Oder Spezialitäten wie das Quartierkino Morgental mussten anderen Nutzungen weichen, nicht zuletzt, weil im Sihlcity und anderswo eigentliche Kinopaläste mit mehrfachem Filmangebot aufgebaut wurden. Von der Konkurrenz heute im Internet bei allen Angeboten ganz zu schweigen.


Tea Room Regina, Albisstr. 72, Zürich-Wollishofen. Foto Labhart Zürich.

Sammlung MZ. Gelaufen am 5.4.1950.


Wer heute durch die Strassen von Wollishofen schlendert, sieht da und dort noch alte umgenutzte Ladenlokale. Im Blog Morgentalstrasse wurde bereits auf solche Veränderungen konkret in dieser einen Quartierstrasse hingewiesen. Hier soll diese Thematik etwas breiter gefasst werden – Ansichtskarten von Läden gibt es allerdings kaum, dafür finden sich in der genannten Broschüre von 1953 eben auch Fotos – wenn auch meist nur kleine – zur Thematik!


Wolishofer Bilderbuch. 1953. Privatbesitz.


Zuerst eine kleine Statistik. Im Gewerbebüchlein 1953 sind aufgeführt (Auswahl):

  • 7 Metzgereien

  • 7 Restaurants

  • 6 Schuhmachereien und ein Schuhhaus (Bally Arolla)

  • 6 Gärtnereien

  • 5 Lebensmittelläden (Comestibles), dazu kommen Migros und LVZ/Coop, die nicht inseriert haben.

  • 5 Bäckereien (plus 4 Konditoreien)

  • 5 Cafés (teils in Kombination mit Konditoreien)

  • 5 Tapezierer, teils in Kombination mit drei Sattlereien

  • 5 Auto-Garagen

  • 4 Malergeschäfte

  • 3 Apotheken

  • 3 Drogerien

  • 3 Cigarrengeschäfte

  • 3 Molkereien

  • 2 Papeterien

  • 2 Buchhandlungen

  • 1 Waschanstalt

  • 1 Tintenfabrik

  • 1 Telefonfabrik

  • 1 Bretzelfabrikation

  • 1 Ozonor

Insgesamt sind es 79 Inserate, zusammen mit den im zweiten Teil abgebildeten Annoncen des Karikaturisten Werner Büchi* sind es gar 102 Einträge. Interessant ist die geographische Verteilung: 60 der Läden und Betriebe sind an der Albisstrasse, deren 20 an der Seestrasse und 10 an der Mutschellenstrasse. Die übrigen verteilen sich auf kleinere und grössere Quartierstrassen.


Als Beispiel möchte ich die Belegung der Ladenflächen im heutigen Postgebäude (Quellenhof) am Anfang der Albisstrasse aufführen (obere Seite, Albisstrasse 10):


  • Velos, Verkauf und Reparaturen: Inhaber: W. Ravaioli

  • Handwerkliche Erzeugnisse und Kinderwagen: Inhaber: E. Brunner,

  • Cigarrenspezialhaus: Inhaber: E. Eppler-Degiacomi

  • Kohlepapier, Farbbänder: Inhaber: J.H. Frick


Beispiele für «verlassene» bzw. aufgegebene Ladenlokale an peripheren Lagen, die 1953 noch in Funktion waren, und die man heute an der Architektur erkennen kann, gibt es beispielsweise an der Lettenholz- und an der Speerstrasse; an der Lettenholzstrasse 16 war eine Metzgerei, und in Nummer 25 eine Konditorei einquartiert, an der Speerstrasse 32 gab es ebenfalls eine Metzgerei, und in Nummer 40 ein Lebensmittelgeschäft: «Comestibles, Delikatessen»!


Werbe-Karikatur Ozonor von Werner Büchi, Wollishofen.

Gewerbebüchlein Wollishofen 1953. Privatbesitz.


Ozonor


Im Zusammenhang mit der Umwelt-Herausforderung des «Ozonlochs» wurde immer wieder darauf verwiesen, dass in früherer Zeit mit Ozon Tourismus-Marketing betrieben wurde. Ozon galt als besonders gesunde Form der Luft bzw. des Sauerstoffs als für die Atmung wichtigstem Inhaltsgas der Luft. Doch dass es auch in Wollishofen ein Angebot gab, vom gesunden Gas (in der ungesunden Stadt) zu profitieren, wusste ich nicht. «OZONOR» hiess das Zauberwort, das die Firma H. Mühleder & Companie an der Albisstrasse 26 bereithielt. Leider sind die Prospekte, die in der Werbung angesprochen werden, nicht mehr vorhanden. So wissen wir nicht genau, wie das Wunder funktionierte.



(SB)

 

* Werner Büchi, 1916-1999, in Wollishofen aufgewachsen und mit Wollishofen verbunden. Bekannter Karikaturist in Nebelspalter und anderen Medien. Das Gewerbebüchlein 1953 versammelt in seinem zweiten Teil zahlreiche Karikaturen von Büchi mit Bezug zu Wollishofen.

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