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HANS SCHÜRCH – MANN FÜR VIELES

Den älteren Quartierbewohnern Wollishofens ist der Name Hans Schürch noch ein Begriff. Wie schon sein Vater Gotthelf gab Hans Schürch den ANZEIGER ZÜRICH 2 heraus, den es heute noch als lokale Ausgabe der Zürcher Quartierblätter gibt: «Zürich 2». Doch Hans Schürch war nicht nur Drucker und Verleger, sondern noch vieles mehr: ein richtiger Lokalmatador. Doch beginnen wir mit dem Lokaljournalismus.


Wollishofer Lokalzeitung


Wie kommt ein Stadtquartier zu einem Lokalblatt? Alle Wollishofer Zeitungsleser des beginnenden 20. Jahrhunderts dürften als Tageslektüre eine Stadtzürcher Zeitung gelesen haben, etwa den parteiunabhängigen «Tages-Anzeiger», die freisinnige NZZ, die demokratische «Zürcher Post», das sozialdemokratische «Volksrecht» oder die katholische «Neue Zürcher Nachrichten». Doch diese berichteten kaum über Wollishofer Belange. Vor allem die Vereine vermissten für ihre Bedürfnisse ein quartierbezogenes Publikationsorgan, weshalb spätestens nach dem 1. Weltkrieg Anläufe für ein solches belegt sind. Das früheste, von dem ich Kenntnis habe, ist der Quartier- und Vereinsanzeiger Zürich 2, der anfangs 1926 lanciert wurde. Er richtete sich vor allem an Vereine, nannte sich «Offizielles Publikationsorgan der Vereine in Enge, Wollishofen und Leimbach», schaltete aber viele Inserate von Quartiergewerbe etc. Indes, so scheint es, hatte das Blatt nicht genug Erfolg. Die letzte Ausgabe, die mir vorliegt, stammt vom Februar 1933.


Vereins- und Quartieranzeiger Zürich 2, Ausgabe Februar 1933. Sammlung MZ.


Es war Gotthelf Schürch-Müller vorbehalten, einen neuen Anlauf zu nehmen, und zwar schon 1934. Im Adressbuch 1935 ist er als «Buchdruckereibesitzer», wohnhaft an der Ostbühlstrasse 62, vermerkt; sein Geschäft war aber an der Albisstrasse 34 (das Gebäude lag eigentlich an der Etzelstrasse, etwa an der Stelle, wo sich heute der Denner befindet). Gotthelf Schürch gründete mit einem neuen, journalistischeren Konzept den «ANZEIGER ZÜRICH 2» – «journalistischer» will heissen: mehr redaktionelle Beiträge, für Menschen, die im Quartier zuhause waren ebenso wie für Vereinsmitglieder. Wirtschaftliches Rückgrat waren die Inserate, die vom Quartiergewerbe für ein heimisches Publikum geschaltet wurden. Doch auch Schürch dürfte Anfangsschwierigkeiten gehabt haben. Allzu viele Themen, die hauptsächlich Wollishofen interessierten, aber möglichst alle Wollishofer ansprachen, gab es kaum. Die Vereinsthemen waren zwar lokal, aber nicht für alle, politische Themen waren – wenn lokal, dann städtisch. So schaltete Vater Schürch schon bald historische Wollishofer Themen – und er hatte im Architekten und Quartierhistoriker Heinrich Weber-Dressler auch einen geeigneten Autor. So kamen in den 1940er Jahren einige Folgen zur Quartiergeschichte aus Webers Feder ins Blatt. Schon früh wurde auch Sohn Hans eingespannt. Fast gleichzeitig, jedenfalls in den 1940er Jahren, steuerte dieser eigene Geschichten bei, die der Vater gerne ins Blatt aufnahm.


Anzeiger Zürich 2. Januar 1942 (IX. Jahrgang). Sammlung MZ.



Hans Schürch (1920-1993)


Überhaupt war der Vater eher der Drucker, Sohn Hans aber eher Redaktor. Hans Schürch machte zwar seine Drucker- und Schriftsetzerlehre im elterlichen Betrieb, wechselte aber bald zum «weitherum geachteten und beliebten Redaktor» – wie sich seine Witwe später in einem Rückblick auf die Schaffenszeit ihres Mannes ausdrücken sollte (Zürich 2, 30. Okt. 2014). Wann Sohn Hans die Druckerei und die Zeitung übernahm, ist nicht punktgenau überliefert, es dürfte aber um 1950 herum gewesen sein – Hans heiratete seine Frau Alice 1947; die Familie wohnte im Raindörfli – mit vier Kindern!


«Die Zeitung warf nie Gewinn ab, aber sie sorgte für Goodwill», erinnerte sich Alice Schürch im bereits genannten Artikel: «Ihr Mann sei sich auch nie zu schade gewesen, am Sonntag die Druckmaschine wegen Geburts- oder Todesanzeigen anzuwerfen.» Und mit von der Partie waren auch der Schriftsetzer Hans Brühlmann und als regelmässiger Karikaturist der Wollishofer Werner Büchi, Freund von Hans Schürch, der gerne mit seiner spitzen Feder Quartierbeiträge leistete.


Leider erhielt man um 1970 die Kündigung der Druckereiliegenschaft. Es musste eine neue Lösung gefunden werden: Schweren Herzens verkaufte Schürch seine Firma an die CVB, Die Buch+Druck AG an der Badenerstrasse.* Er arbeitete auch noch dort im Beruf weiter, widmete sich nach der Pensionierung aber vermehrt seinen Hobbies, insbesondere der Literatur- und Kunstvermittlung.


Galerie, Vereine, Bücher


Schürch war ein aktiver Zeitgenosse. Er engagierte sich gern und oft. So betätigte er sich in der reformierten Kirchgemeinde, stellte sich etwa für die Sonntagsschule zur Verfügung, und er war immer dabei, wenn es etwas zu helfen, zu organisieren gab. So gehörte er auch zu den Gründungsmitgliedern der Stiftung «Altersgerechtes Wohnen Wollishofen». Oder er war im Organisationskomitee für den Gewerbeanlass 1953, aus dem auch das historisch wertvolle Büchlein über das Wollshofer Gewerbe entstand. Hans Schürch war nicht nur der Drucker, sondern auch der Herausgeber des Werks, so wie er auch mehrfach ein Wollishofer Telefonbuch herausgab.


Wollishofer Telefonbuch 1968. Druckerei Hans Schürch. Sammlung MZ.


Dass einer wie Schürch sich im Quartierverein engagierte, lässt sich leicht denken. Doch Schürch beliess es nicht bei ein paar Jahren Vorstandsarbeit, er brachte es mit einer Amtsdauer von 1947 bis 1987 auf volle 40 Jahre – ein ganz ausserordentlicher Einsatz zugunsten eines wohnlichen Wollishofens!


Und wie kam Schürch zur Galerie, wie zur Kunst? Tochter Susi erinnert sich an seine ersten Kontakte mit Künstlern. Dass diese Kontakte sich zu Freundschaften und zu Mäzenatentum entwickelten, sei aus dem ihm eigenen Helferinstinkt entstanden. Schürch habe vor allem versucht, Künstler, die ihm sympathisch waren, zu unterstützen. Sein «erster» Künstler sei der deutsche Kunstmaler Manfred Henninger gewesen, erinnert sich Susi. Die Kunst selber habe indessen nicht im Vordergrund gestanden. Aber als ein späterer Künstler ihm zum Dank für seine Hilfe einmal ein grosses Bild geschenkt habe – ein Stilleben mit Pfingstrosen –, habe er Gefallen daran gefunden und es angenommen und zuhause aufgehängt. Aus diesen Anfängen entstand dann seine Tätigkeit als Galerist. Eine erste Ausstellung fand im Wollishofer Kirchgemeindehaus statt. Später ergab sich die Möglichkeit, an der Frohalpstrasse ein zugängliches Lokal zu mieten, um dieses als Galerie zu nutzen. Diese Institution, die Galerie Treffpunkt, genoss bald «grosses Ansehen» – wie sich Tochter Susi ausdrückt –, und wurde so zu einem eigentlichen Quartiertreffpunkt.

Nach der Pensionierung stand die Tätigkeit als Galerist im Vordergrund, in vielen Vereinen war Schürch zudem ein gern gesehener Aktuar. Nach seinem Tod 1993 führte Alice das Kunst- und Literaturerbe zunächst weiter, bis sie 2010 den radikalen Schritt machte und die meisten Bilder an einer Ausstellung im Ortsmuseum verkaufte.




Hans Schürch. 1990. Ein rares Familienfoto. zvg



Viele Wollishofer erinnern sich an Kinder- und Jugendbücher (im eigenen Verlag erschienen), an Schallplatten und Hörkassetten, auf denen Schürch seine Geschichten vorlas. Tochter Susi erinnert sich: «Der Vater hatte eine blühende Fantasie. Seinen Kindern erzählte er jeden Abend Gutenachtgeschichten, die er selbst dichtete. Es waren Geschichten, die über Monate weiterentwickelt wurden. Eine dieser Geschichten faszinierte Hannes und Susi so, dass sie anfingen, passende Bilder zu zeichnen. Manfred Henninger war begeistert vom Talent der Kleinen. Hans beschloss, aus der Geschichte und den Bildern ein Buch zu machen, welches er selber druckte. Das Buch heisst 'das unfolgsame Pony'.»


Jugendbücher von Hans Schürch (Sammlung MZ).



Eine Wollishofer Nachbarin hat der Sammlung Zimmermann noch eine altertümlich wirkende Musikkassette mit Geschichten über Waldeli, den Dackel, übergeben. Vielen Dank!

















Waldeli führt uns noch zum letzten Thema: Schürchs Engagement für den Tierschutz. Über Jahrzehnte sass Hans Schürch im Vorstand des Zürcher Tierschutzvereins. Er setzte sich für das Recht des Tieres ein und war Mitinitiator des Tieranwaltes des Kantons Zürich.


Hans Schürch – ein Original? Auf jeden Fall: ein Wollishofer für alle Fälle!



Ich danke Tochter Susi für die Unterstützung!


Sebastian Brändli

 

* Die CVB verkaufte ihre Lokalzeitungen später wieder. Eine Zeitlang war die Börsig AG Erlenbach die Besitzerin, heute gehört Zürich 2 dem Autoimporteur Walter Frey.

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